Nächtlich.
“Warum stehst Du auf?”
“Ich kann nicht schlafen.”
“Komm wieder ins Bett.”
“…”
“Verdammt, warum gießt Du Dir jetzt Schnaps ein?”
“Ich kann nicht schlafen.”
“Hör auf, immer dasselbe zu sagen.”
“…”
“Hör auf, zu trinken.”
“Ich kann nicht schlafen.”
“Und hör auf, Deine Schlaflosigkeit als Ausrede für Deinen Alkoholmissbrauch zu benutzen. Hör auf, Deine Schlaflosigkeit als Ausrede für alles zu missbrauchen.”
“…”
“Warum sagst Du jetzt gar nichts mehr?”
“Du weißt, dass ich nicht schlafen kann.”
“Ja, das weiß ich. Aber warum muss Du deswegen trinken?”
“Mein Gehirn. Es schaltet einfach nicht ab.”
“Und? Warum hält Dich das von Schlafen ab?”
“Ich sehe mich selbst, von außen.”
“Was?”
“Ich sehe mich, wie ich da im Bett liege, wo ich bin, was ich heute getan habe und ich kann mich nicht aufhören zu fragen, wer dieser Typ eigentlich ist und was ihn antreibt, das zu tun, was er tut.”
“Und deswegen kannst Du nicht schlafen?”
“Deswegen kann ich nicht schlafen.”
“Und Du trinkst, weil?”
“Weil ich nicht mehr aus mir rausgehe, wenn ich betrunken bin. Weil ich dann drinbleibe. Weil ich dann nicht so verdammt Meta bin.”
“Hör auf damit.”
“Womit?”
“Mit dem Nicht-Schlafen. Mit dem Trinken. Mit dem Meta-Sein.”
“Aber wie?”
“Denk nicht über Dinge nach, während Du sie noch tust. Denk erst darüber nach, wenn Du sie schon getan hast, wenn sie nicht mehr zu ändern sind. Fäll endlich mal ein paar Entscheidungen und wenn Du sie gefällt hast, hör auf, sie permanent nach Schwachstellen abzugrasen und sie permanent in Frage zu stellen. Das tut Dir nicht gut.”
“Ich weiß, dass Du Recht hast. Und Du weißt, dass ich das nicht kann.”
“Aber was willst Du dann tun?”
“Dich fragen. Mit Dir reden. Dich meine Entscheidungshilfe sein lassen.”
“Ich kann nicht Dein Leben für Dich entscheiden.”
“Es ist egal, was Du entscheidest. Du hast doch gerade selbst gesagt, dass es egal ist. Es muss nur entschieden werden, die Bewertung folgt erst danach, wenn die Sache an sich gar nicht mehr von Belang ist. Und wenn Du es nicht entscheiden kannst, wenn ich Dich um Rat frage, lass es doch nur so aussehen, als wüsstest Du Bescheid. Es würde mir helfen. Sehr.”
“Welche Frage quält Dich heute konkret?”
“Die Frage danach, ob ich dazu fähig bin, mich dem Willen von jemandem unterzuordnen.”
“Das ist doch schon wieder verdammte Metameta-Scheisse. Wenn ich Dir dazu einen Rat gebe, dann berührt die Tatsache des Rat-Gebens auch gleichzeitig das Thema.”
“Wenn Du so anfängst zu denken, dann bist Du auch bald soweit, Dir um halb vier Uhr morgens ein Glas Whiskey einzuschenken. Ich will nur einen einfachen Hinweis von Dir.”
“Ok, hier kommt ein Hinweis: Ordne Dich unter, wenn die Unterordnung für Dich einen konkreten Mehrwert bringt, oder besser gesagt: Dich zu etwas führt, dass Dir am Herzen liegt und das Du alleine nicht oder nicht so zielgenau erreichen könntest. Und wenn Du merkst, dass es das in einem konkreten Fall nicht bringt, dann zögere nicht, es zu beenden, so schnell wie möglich, egal, wen Du damit vor den Kopf stösst.”
“Hm. Das klingt gut. Kannst Du mir das aufschreiben?”
“Ja. Morgen. Jetzt komm endlich ins Bett.”
“Aber was ist, wenn ich jetzt darüber nachdenken muss und deswegen wieder nicht schlafen kann?”
“Darüber gibt es nichts nachzudenken, weil es keine Frage war. Sondern eine Anweisung.”
“Ok, Sir.”
“…”
“…”
“…”
“Ich würde gerne noch wissen, ob Du das jetzt nur so aussehen hast lassen, oder ob Du darüber wirklich schonmal selbst nachgedacht hast. Diese Sache mit dem Unterordnen, meine ich.”
“…”
“Schläfst Du schon?”