Flohmarktbriefe (III)

Friedrich ‘Fritz’ Ritter an Maria ‘Mieze’ Priester, 27. Februar 1929

Meine liebe Mieze,

Auf meiner gestrigen schönen Karte habe ich Dir bereits für Deinen „l.“ Brief gedankt und tue es jetzt noch einmal. Diese Ausführlichkeit ist ja staunenswert – oder nein, sie ist in Anbetracht der kommenden Dinge eine Selbstverständlichkeit. Du sprichst – um es gleich vorweg zu nehmen – von einem beigelegten Zettel, ich fand aber keinen…. Gern hätte ich Dir mitgeteilt, daß ich schon im Besitz des Mietrechtscheines sei. Bis heut habe ich vom Wohnungsamt auf meinen Antrag noch keinen Bescheid erhalten. Ich werde mich morgen telephonisch erkundigen, wie die Suche steht. Deine Wünsche sind mir nicht nur Befehl, sie decken sich auch mit den meinen.

Natürlich will auch ich mich in meinem „Heim“ behaglich fühlen. Mit der Zwecksetzung der Wohnräume, wie Du es wünschest, und der dadurch bedingten größeren Zahl bin ich gleichfalls einverstanden. Da Du Dein Bett von dem meinen getrennt halten willst, genügt für mich als Schlafraum eine kleine Kammer, falls vier brauchbare Zimmer zu einem für uns erschwingbarem Preise nicht aufzutreiben sein sollten. Du brauchst übrigens nicht zu schreiben: „…so beuge ich mich Deinem Willen“. Wie Du es für richtig hältst, so wird es gemacht. Bitte sage Du jetzt „basta“ dazu.

Wie lange meines Bleibens in M. sein wird, vermag ich noch nicht zu sagen. Ein Jahr wird es aber mindestens dauern. Zu rascher Wechsel macht keinen guten Eindruck, und das, was ich suche, wird mir wohl niemand in den Schoß werfen, so daß eine unerwartet von aussen an mich herangetragene Lockung, mich zu einer schnellen Liquidation hier veranlassen könnte. Also ist es wohl am besten, wir meublieren z.T. wenigstens selbst. …An Pfingsten als Hochzeitstag hatte ich früher auch schon gedacht. Fassen wir es also ins Auge, oder vielmehr sagen wir es fest, vorausgesetzt, daß eine Wohnung da ist. …Ich sehe nicht ein, weshalb auf die Dörfler in Bezug auf die Ausgestaltung der Hochzeit Rücksicht genommen werden soll. In Salzdetfurth wäre das etwas anders gewesen. Die Anschaffung eines Fracks ist weniger von der Hand zu weisen als eine Brauttoilette, die nachher keine Verwendung mehr findet. So lassen wir uns doch bei geschlossener Kirche oder in Torgau trauen? …Mir geht der Gedanke im Kopf herum, ob ich mir nicht durch Schriftstellerische Arbeiten einen Nebenverdienst schaffen könnte. Ich habe ja schon manches gekonnt, was ich früher nicht für möglich gehalten hätte. Dazu müßte freilich der verdammte Außendiest ganz oder zum größten Teil wegfallen, und außerdem müßte ich auch Abnehmer finden. Darauf brachte mich ver… eine Bemerkung Frau Schäfers, sie habe das Gefühl, daß ich im Stillen an einer größeren Sache arbeite, mit der ich eines Tages hervortreten werde.

…Hier wurde ich gestört und musste abbrechen. Heute, am Montag abend gegen 12 Uhr, fahre ich fort. Eine langwierige Sitzung des „Mittelstandkartells“ liegt hinter mir. Vor wenigen Augenblicken noch unterhielt ich mich mit einem jugendlichen Stadtrat, der u.a. fragte, wie ich mich hierher, d.h. nach M. verirrt habe. M. wirke auf die Dauer ermüdend und das beste, was man tun könne, sei, möglichst bald sich davon zu machen. Alt hier werden will ich ja auch nicht. M. hat mich jedoch schon vorwärtsgebracht, genauer: in M. habe ich mich vorwärts gebracht, insofern, als ich mich an Dinge heranwagte, vor denen ich bis dato in scheuer Entfernung stand. Ein anderer sagte, er freue sich, mich kennengelernt zu haben, als den Schreiber der Artikel, die „Hand und Fuß“ hätten und deren jeder Satz „etwas enthielte“. Na also! Stups! …Draußen schneit es. Auf dem Brocken liegt 190 cm. Schnee bei wechselnd starken Winden. Nie sandtest Du mir Berichte. Ich will den Brief noch auf den Bahnhof tragen.

…Heute empfing ich Walters ersten Brief aus China nach Mühlhausen. Ich kam noch nicht zum Lesen.

Es küßt Dich herzlich Dein Fritz.

*Orthographie, Interpunktion und Paragraphen wie im Original. Das Copyright an diesen Texten liegt bei dem aktuellen Besitzer (dem Autor dieses Blogs). Anm. des Transkribienten.