Die Swantje.
23. Februar 2007
Es war Zufall, dass ich diese Frau, die sich in keine einzige Schublade stecken ließ, was auch dazu führt, dass der Titel dieser Episode (die ich in meiner Reihe von Geschichten über Dates schreibe, ohne dass diese Begegnung auch nur ansatzweise ein Date gewesen wäre) nur ihr Name sein kann, traf, und dass ich später irgendwann allein mir ihr in ihrer Wohnung auf dem Fussboden lag und meinen Finger immer wieder in einen Honigtopf tauchte, der zwischen uns und drei Kerzen auf dem kleinen, merkwürdig niedlichen Teppich stand.
Swantje war großartig. Sie war genau der Typ Frau, den ich händeringend suchte und ich verfluche die Tatsache, dass sie einen verdammten Freund hat: Sie war gebildet, witzig und schön. Und sie war in all diesen Bereichen deutlich über den Durchschnitt, aber in keinem der drei Bereiche in eine merkwürdige oder absonderliche Richtung, die man ihr irgendwie als charakterlichen Fehler anrechnen hätte können oder so dass man denken hätte können, sie würde irgendwann deswegen durchdrehen. Sie hörte Musik, die genau in meiner Richtung ging, kannte aber nicht sehr viele Bands. Ich könnte ihr Tonnen von Mixtapes mit Musik aufnehmen, die sie abgöttisch lieben würde, wenn ich die Gelegenheit dazu bekommen würde. An ihrer Schlafzimmertür hing ein traumhaft schönes Schwarzweißfoto von Audrey Hepburn und in ihrem Bad durfte jeder mit dazu geeigneten Stiften eine Botschaft an der Wand hinterlassen. Ich schrieb meine in zwei verschiedenen Farben (ich wechselte bei jedem Buchstaben den Stift): “Love is Suicide”. Als ich später erneut auf Toilette ging, malte ich um die Botschaft noch ein Herz, das von einem Pfeil durchbohrt wird. Ich glaube kaum, dass sie verstanden hatte, was ich sagen wollte, auch wenn wir doch auch an dem Abend sehr ausführlich über das Thema Liebe sprachen, sie sehr viel dazu zu sagen hatte, sich deutlich bewusst war, dass ihr Freund doch eigentlich nicht der Richtige für sie war und sie nicht wirklich wusste, was Liebe im Kern war, sich aber dennoch mit allen Fasern ihres Körpers danach sehnte.
Swantje war äußerlich ein Hippie, aber sie erzählte davon, wie sie “Drop City” gelesen und dann das Buch einem tatsächlichen Hippie geschenkt hatte, um sein Hippieweltbild zu zerstören. Sie lachte dabei wie ein kleines Mädchen. Swantje war nett genug, um mich und ein paar Freunde von mir, die sie erst einige Minuten kannte, zu sich nach Hause mitzunehmen, aber auch selbstbewusst genug, um Meinungen zu widersprechen, die ihrer zuwiderliefen. Swantje war eine gute Gastgeberin, eine gute Rednerin und eine gute Zuhörerin und sie hätte mich, wenn ich nicht irgendwann um vier Uhr morgens, zwei Stunden nachdem der Letzte von den Anderen weg war, gesagt hätte, dass ich nun gehen würde, vielleicht irgendwann auf die Couch zum Schlafen verwiesen (“naja, das ist immerhin eine Ausziehcouch”), aber nie rausgeworfen. Swantje war, wie sie selbst sagte, manchmal etwas einsam, aber sie war auch stark genug, um nicht einfach nur deswegen in eine WG zu ziehen. Swantje trank in der Kneipe zuerst ein Bananenweizen, dann einen Kräuterschnaps, aber dann zuhause auch ordinären Wein aus dem Supermarkt und einfachen Tee. Sie war geboren in der Nähe von Bremen, hatte in Spanien gelebt und wohnte nun, wenn sie nicht gerade in Bayreuth studierte, bei ihrem Vater in Dresden. Die Frau war eine etwas exotische, norddeutsche Ostdeutsche, mit Augen, die fernöstliche Verwandte suggerierten. Und ihr ganzer Stolz war eine Sonnenbrille, deren Gläser größer waren, als die jeder Sonnenbrille, die ich je gesehen hatte. Ich fasse zusammen: Sie war absolut unglaublich.
Als ich, feige, wie ich leider in solchen Situationen oft bin, am Ende einfach nach Hause ging, ohne auch irgendetwas zu versuchen, was andeuten hätte können, wie schnell ich mich schon halb in sie verliebt hatte, umarmte sie mich zum Abschied. Ich sagte: “Schön, Dich kennen zu lernen”, wünschte eine gute Nacht und torkelte die nächste Stunde zu Fuß ans andere Ende der Stadt zurück in meine Wohnung, wobei das Torkeln höchstens zu fünfzig Prozent auf den Alkoholkonsum zurückführbar sein konnte. Ich war an diesem Abend der perfekte Gentleman, der perfekte Verrückte, der perfekte Mensch gewesen, ich war so, wie ich es nie vor einem Fremden auch nur im Traum sein könnte und das war völlig absurd. Ich werde ihr morgen eine eMail schreiben, die sie auf irgendeine Seite von mir im Netz und schlussendlich zu meiner Homepage führen soll, so dass sie auch von mir ein bisschen beeindruckt ist, denn ich bin mir nicht völlig sicher, ob ich heute/gestern Abend nicht einfach nur völlig normal in Gegensatz zu meiner sonstigen scheinbaren Abwesenheit war und kein bisschen beeindruckend.
Wenn ich nicht mit ihr zusammen sein kann, dann will ich mit Swantje T. befreundet sein. Um jeden Preis. Ich will, dass sie mich mag.