Wege.
Manchmal fühlte es sich unangenehm abstrakt an. Peter telefonierte mit Frank, der wiederum mit irgendwem telefonierte und so wurden „Dinge in die Wege geleitet“, wie Peter es ausdrückte. Wie sich das schon anhörte, „Dinge in die Wege leiten“.
Ich stand am Fenster und wartete darauf, dass mich endlich jemand anrief. Als der Anruf kam, war es mir beinahe schon egal. Ich nahm den Hörer mit mechanischem Pflichtgefühl ab, führte in an mein Ohr, drückte auf den Knopf mit dem grünen Symbol und sagte kein Wort. Peter murmelte den üblichen Mist durch die Drähte, von größeren Unvorhersehbarkeiten und der Frage, ob man so kurzfristig überhaupt noch jemandem finden könnte, dass er sich aber sicher darum kümmern würde, dann legte er auf, „wir sprechen später nochmal in Ruhe über uns, ok, Oliver?“
Dieses „später“, von dem sehr oft die Rede war, dieses später, das kam nie, aber das ist eine andere Geschichte, in der mich irgendwann die Nachricht erreicht, dass Peter tot ist. Ich hatte während des ganzen Telefonats kein einziges Wort gesagt, nur in zustimmenden und ablehnenden Brummlauten mit ihm kommuniziert, das fiel mir erst auf, als ich auf den Knopf gedrückt, das Telefon rüber auf die Couch geworfen hatte und wieder aus dem Fenster starrte. Peter fand natürlich jemanden. Er fand immer jemanden, aber nie, ohne vorher ein entsprechendes Theater um seine eigene Aufopferung für die Sache zu veranstalten, permanent zu betonen, wie verdammt anstrengend und schwierig sein Job war, quasi seine eigene Unentbehrlichkeit mit Hilfe von dramatisierter Darstellung aller kleinsten Hindernisse, die sich auftaten, derart übertrieben zu inszenieren, dass alle, die mit ihm zu tun hatten, glauben musste, er wäre unersetzlich und überhaupt der einzige, der seine Aufgabe bewältigen konnte. Ich glaubte das nicht, aber das sagte ich ihm nie. Ich wollte nicht, dass er sich enttarnt fühlte, denn sich enttarnt zu fühlen, das ist kein schönes Gefühl.