Briefing (XV)

Lieber Will Smith,

versteh mich bitte nicht falsch: Ich mag die Filme in denen Du mitspielst eigentlich ganz gerne. Sie sind unterhaltsam, actionreich, oft mit sehenswerten Bildern unterfüttert, sie sind simples aber auf seine Art liebenswertes Popcorn-Kino und ich sehe sie mir gerne des Nachts an, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin und einfach nur abschalten will. Aber aus irgend einem Grunde hatte ich von dem Anti-Superhelden-Film “Hancock” mehr erwartet. Ich hatte gedacht, dass das Deine Paraderolle wäre, dass Du in dem Film nicht nur, wie man so oft liest, Dich im Grunde nur selbst spielst, sondern der Figur Leben einhauchst, gerade deswegen weil Dir die Rolle so steht. Genau das aber ist nicht der Fall. Allein die Eröffnungsszene, in der Du mit einem Hangover auf einer Parkbank erwachst, eine Verfolgungsjagd im Fernsehen beobachtest, einer Frau an den Po grabschen willst, könnte wirklich grandios sein, wenn Du sie nicht so hölzern mit Leben, oder besser mit bloßen Stereotypien und reinem Nichts, füllen würdest. Leider wird das auch im restlichen Film nicht besser, sondern es ist eher das Gegenteil der Fall: Du spielst nicht, Du bist einfach nur da. Typisch für Dein Engagement in dem ganzen Film ist wohl die Szene in der Bar, in der Deine Rolle in der Ecke sitzt, während im Fernsehen über sie berichtet wird und die alte Frau Dich ansieht, Du aber einfach stur weiter so lässig und cool rumhängst wie zuvor. Du bist in dem Film eine tragende Hauptrolle, die wie eine kleine Nebenfigur agiert und spielt. Und jetzt erzähl mir nicht, dass die Figur eben so angelegt war. Ein Typ wie Du hat sicherlich maximale kreative Freiheiten in der Ausgestaltung seiner Rollen, besonders dann, wenn Du, wie in diesem Fall, der einzige Star in einem Film bist und das Projekt im Grunde alleine trägst. Statt wie erwartet in der Rolle Deines Lebens warst Du in der traurigsten Verfassung, in der ich Dich je gesehen habe.

Ich will ja nicht ungerecht sein: Es ist sicher nicht Deine alleinige Schuld, dass “Hancock” trotz der ursprünglich guten Idee ein katastrophal schlechter Film geworden ist: Das Drehbuch ist mies, der Plot absolut vorhersehbar, die Dialoge langweilig, der Humor, den der Film dringend gebraucht hätte, ist schlicht und einfach nicht vorhanden, selbst sehenswerte Actionszenen fehlen völlig und leider werden auch die wenigen Ansatzpunkte für Tiefgang nur mit zwei bis drei pathetischen Worten und ein paar plätschernden Geigensamples abgehandelt, aber Du trägst sicher einen Großteil dazu bei, dass man als halbwegs intelligenter Zuschauer schon nach ein paar Minuten das Interesse an “Hancock” verliert und das nächste Mal lieber in einen Superheldenfilm geht, bei dem man vorher weiß, was man bekommt, weil die Hauptfigur bereits bekannt ist. So wird der auch Flop von “Hancock”, der nach diesem kollektiven Versagen absehbar hätte sein müssen, sicher alles andere als dazu beitragen, dass neue, innovative Konzepte in Zukunft realisiert werden, was Dich indirekt auch dafür veranwortlich macht, dass X eigentlich gute Filmideen niemals das schummerige Kinodunkel erblicken werden.

Ach, Will, Du wirst sicher weiterhin einer der höchstbezahlten Schauspieler Hollywoods bleiben und wir werden uns wohl noch oft begegnen, schließlich drehst Du derzeit jedes Jahr mindestens einen dieser Filme, die ich mir weiterhin ansehen werde, aber wirklich davon überzeugen, dass Du Deinen Beruf beherrschst, konntest Du mich heute wieder einmal nicht. Vielleicht hättest Du Dir nochmal ansehen sollen, wie Bruce Willis (ja, ausgerechnet der) in “Unbreakable” absolut überzeugend all das rüberbringt, was Dir in “Hancock” an allen Ecken und Enden fehlt.

Dein Sebastian.