Briefing (XX)

Hey Christian von der Firma B.,

ich sollte ja heute wieder zu euch kommen zum Game-Testing. Ich habe es mir spotan anders überlegt, als ich schon auf dem Weg in den Stadtteil war, in dem Euere Firma residiert.

Lass mich das erklären: Als ich das erste Mal bei Euch war, war ich “nur” Student, nicht besonders selbstbewusst, neu in der Stadt, meine eigene Arbeit lief nicht zu meiner Zufriedenheit. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: Ich bin zwar immer noch Student, bin aber in künstlerischer Hinsicht für meine Verhältnisse recht  erfolgreich, blogge regelmäßig, schreibe für zwei Magazine und arbeite nebenbei für eine Werbeagentur. Es klingt sogar in meinen eigenen Ohren zu großkotzig, aber ich habe dennoch das Gefühl, dass meine Meinung mehr wert ist als den Apple und das Ei, dass ich heute von Euch dafür bekommen hätte, um ein oder zwei Stunden meine (und soviel Selbstbewusstsein habe ich, das zu sagen) zweifellos guten Ideen abzugeben für ein Game, mit dem Ihr Tausende von Euros verdienen werdet. Du kennst mich nicht und kannst das daher wohl nicht verstehen, aber als ich zu dieser Erkenntnis kam, habe ich mich unweigerlich gefreut und bin mit einem Grinsen im Gesicht wieder nach Hause gefahren, denn ich habe in dem Moment  festgestellt, dass ich mich nicht unter Wert verkaufe und das ist doch etwas gutes, oder? Ich tue Dinge entweder kostenlos und aus Leidenschaft oder gegen richtige Bezahlung. Dazwischen ist nur in Ausnahmefällen und bei Menschen, die ich persönlich kenne  oder schätze Platz. Und das herauszufinden war es doch schon irgendwie wert, die halbe Strecke zu Euch zu fahren, oder?

Wenn ihr mal längerfristig einen Spieletester sucht oder das Ganze besser vergütet wird, dann können wir  gerne wieder darüber reden.

Bis dahin: Danke für die obige Einsicht.

Dein
Sebastian