Fragestunde (XI)

Glaubst Du, dass man Kunst, Musik, Literatur und Filme objektiv bewerten kann?

Falls ja: Trennst Du Deine subjektive von der objektiven Bewertung? Wie erklärst Du es Dir, wenn diese beiden Dinge deutlich auseinanderfallen? Wie geschieht die Bewertung der Dinge a) objektiv und b) für Dich? Ist a) ein demokratischer Prozess? Wer stimmt in welcher Form ab? Konsultierst Du für b) Rezensionen und die Meinungen anderer Personen? Was genau unterscheidet a) und b)?

Falls nicht: Was hältst Du von Kritikern, deren Job darauf basiert, derartige Einordnungen vorzunehmen? Wie erklärst Du es Dir, dass manche Dinge von eben diesen Kritikern relativ einstimmig für gut oder schlecht befunden werden? Nimmst Du jedes „das ist gut / schlecht“ als rein subjektive Meinungsäußerung wahr? Falls ja: Wie bildest Du Deine eigene Meinung und hältst Du sie für genau so subjektiv wie die Meinung anderer Personen?


Traumsequenzen (XI)

Ein halbblinder Riese setzt sich zwei Menschen als Kontaktlinsen ein, die ihm wild gestikulierend und schreiend den Weg deuten.

Eine Frau hat eine lebende Katze als Handtasche. Die Katze liegt auf den Rücken und hat den Schwanz nach oben eingerollt (Henkel), die Sachen greift sie mit den Pfoten und Krallen.

In einem Haus mit sehr vielen Stockwerken, in dem die Treppen jeweils an einem anderen Ort sind und aus anderen Materialien bestehen, kann man sich alternativ auch im Erdgeschoss selbst die Toilette hinabspülen, um ganz nach oben zu gelangen.

Ein kleines Auto fährt plötzlich neben mir, als ich eine Straße entlang jogge. Darin sitzt ein Mädchen mit blauen Haaren. Sie kurbelt die Scheibe herunter und ruft mir pathetisch klingende Sätze in einer Sprache zu, die ich nicht verstehe. Die Worte treffen mich wie Messer, jedes Wort schneidet eine Wunde in mein Fleisch.

Ein riesiger roter Schwan watschelt durch den Wald. Die Bäume sind für ihn wie Gras, er knickt sie einfach um und hinterlässt eine gewaltige Schneise.

Ich wohne in einer Wohnung, in der in jedem Zimmer eine Unmenge an Hirschgeweihen an den Wänden hängen. An jedem davon hängt ein Kleidungsstück. Wenn ich nach Hause komme, ziehe ich meine Klamotten aus und werfe sie nacheinander in die Luft, sie bleiben jeweils an einem Geweih hängen. Zum Ankleiden habe ich in jedem Raum eine Holzleiter, mit deren Hilfe ich die Kleidung wieder herunterholen kann.

Ein Mann mit einem spitzen Hut steht auf einem Baumstamm und hält eine kleine Dose in die Luft. Er ruft: „Warum hasst Gott Schnupftabak?“

Ich bin in einer Art Festsaal, dessen Wände mit Kritzeleien beschmiert sind. Alle Anwesenden außer mir sind menschengroße Frösche, die auf zwei Beinen laufen und mit feinen Gewändern, Mänteln und Hüten bekleidet sind. Auf einer Bühne wird eine Rede gehalten. Die Frösche stehen um viele lange Tische herum und statt zu applaudieren hüpfen sie an verschiedenen Stellen der Rede wild im Saal herum, so dass sich die Stehordnung permanent verändert.

Im Büro eines Bonbonfabrikanten findet eine Besprechung mit mir statt. Der Bonbonfabrikant besteht darauf, dass seine neuen Bonbons alle Konkurrenzprodukte vom Markt fegen werden. Einen Namen haben sie noch nicht. Ich sage, dass es so einfach auch wieder nicht wäre. Auf das Design der Verpackung und den Namen käme es genauso an wie auf die Qualität des Produktes. Er lacht mir ins Gesicht und lässt einen Angestellten eine Schale mit den Bonbons hereinbringen. Ich probiere eines davon. Einige Sekunden, nachdem ich mir das erste davon in den Mund gesteckt habe, weiß ich: Er wird mich nicht brauchen. Er könnte sie auch in einer weißen, unbeschrifteten und blickdichten Tüte verkaufen, so fantastisch gut sind die Dinger. Er findet die Idee mit der Tüte gar nicht schlecht. Ich frage ihn, ob ich die restlichen Bonbons aus der Schale mitnehmen darf.

Drei junge Frauen in Dienstmädchenuniformen mit langen Röcken stehen auf einem unbewachsenen Feld. Es ist Herbst, aber sie behaupten unablässig, dass Sommer wäre. Dann ziehen sie gleichzeitig ihre Röcke hoch. Statt Beinen haben sie beidseitig geschärfte Klingen, auf denen sie im Boden stehen. Sie wollen, dass ich näher komme und fuchteln wild mit den Armen.


Restdenken (III)

„Ich als Dich das erste Mal angefasst habe, wusste ich, dass wir miteinander schlafen würden. Das konnte man irgendwie richtig erfühlen.“

„Express Yourself“, der große Irrtum jedes Mitmachmediums, das hat immer mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun. Natürlich expressen sie dann nur die positiven Aspekte, niemand würde ein Foto von sich veröffentlichen, auf dem er scheiße aussieht und ihm mit aufgequollenem Gesicht Rotz und Tränen aus der Fresse laufen. Menschen als Personen haben in den meisten Fällen leider nichts zu sagen, sie sind langweilige Figuren. Menschen interessieren sich eher für Menschen, sie können gar nicht anders. Statt „Express Yourself“ müsste es doch „Erfinde interessantes Zeug“ heißen, noch besser „Erfinde interessantes Zeug, dass mit Dir und Deinem Alltag so wenig wie möglich zu tun“ hat, aber erklären Sie das mal einer Person, die gerne ihr Mittagessen abphotographiert, da stoßen Sie schnell an Vermittlungsgrenzen, die nicht mit Worten überwindbar sind. Gegen solche Vereinfachungen bin ich massiv. Ich will konstruktiv sein: eine Maschine bauen, die alles einreißt und tötet und Pflanzensamen über dem Schutt und den toten Körpern ausstreut.

Du bist der Mittelpunkt Deines Universums. Ich verstehe das, denn ich bin, wie jeder andere auch, auch der Mittelpunkt meines Universums. Die einzige Frage, die sich stellt, ist die, ob Du verstanden hast, dass es auch andere Universen gibt und dass sie dasselbe Recht haben, zu existieren, wie Dein Universum. Es ist der einzige Faktor, nach dem ich Dich beurteilen werde.

Das Leben als ein endloser Fluchtreflex, das kann nicht gut gehen. Nicht ohne eine kontrolliert durchgeführte Flucht, besser noch: eine völlig unkontrolliert durchgeführte Flucht. Heimlich schreiben, ein Schreiben auf der Flucht vor der Bühne, die in der heutigen Zeit an jedes Schreiben automatisch angeschlossen ist, denn sie das destruktivste Element.


Mein Lifestyle-Geheimtipp.

Mein Lifestyle-Geheimtipp: Als toter Astronaut bis in alle Ewigkeit durchs Weltall floaten (wenn nichts dazwischenkommt). Das ist grenzenlose Freiheit, wie man sie sich landläufig vorstellt. Ich mach das schon seit drei-, vier-, fünfhundert Jahren, irgendwas um den Dreh. Ganz ruhig, entspannt, gefroren. Bisher ist mir noch nichts von Belang begegnet, nur das schwarze Nichts, aber das wird schon. Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Den Rest überall.

Ich steh total auf Dinge, die es sonst nirgends gibt, denn den Rest, den gibts ja überall. Da sitze ich also, auf der Treppe um die Ecke und rauche eine Zigarette und trinke Kaffee und meine Beine überspringen ordnungsgemäß eine Stufe, denn die Beine auf die Stufe unter die Stufe zu stellen, auf der sich der Arsch befindet, das machen nur Mädchen. Also sitze ich da und rauche und spiele mit meinem Feuerzeug rum und die kurze Jeanshose schiebt sich über das Knie und ich zünde die dünnen Haare unter meinem Knie an, einfach so, weil das gibts sonst nirgends. Das knistert ganz leise und dann kräuseln sich die Haare und bilden ein merkwürdiges Muster. Wenn man genau hinguckt, dann ist es ein nur scheinbar chaotisches Muster aus kleinen schwarzen Knubbeln, in denen Haare zusammengeschmolzen sind, verdrehten Haaren, die nur heiß geworden, aber nicht verbrannt sind und normalen Haaren. Das müsste man mal photographieren, denke ich, das sieht eigentlich ganz interessant aus, so richtig in Macro, das wäre Kunst. Und dann beuge ich mich über mein mein Knie und senke den Kopf und rieche an den verbrannten Haaren, weil der Geruch von verbrannten Haaren, den gibts sonst nirgends und der riecht ganz speziell, das riecht man ja nicht jeden Tag. Und dann wiederhole ich die ganze Prozedur, weil ich das, was es sonst nirgends gibt, wenigstens zweimal haben will und das sieht dann sicherlich ziemlich bescheuert aus, wie ich da sitze und die Haare unter meinem Knie anzünde und daran rieche. Zum Glück kommt beim zweiten Mal eine Frau die Straße entlang und beobachtet mich ganz erstaunt dabei, die kann ich fragen, wie bescheuert das eigentlich aussieht. Ich habe mir ihr Gesicht genau gemerkt, falls ich sie mal wieder treffe, frage ich sie ganz bestimmt.


Restedenken (II)

Schlafen, nur damit der Tag vorbei geht. Ich brüte etwas aus und ausbrüten kann man nur Leben. Ich habe kein Bedürfnis mehr nach dem leeren Äther, der Bühne, nach Kommunikation ohne Feedback, nach Digitalität, ich suche genau das Gegenteil, aber es ist hier nicht zu finden und weiß nicht, ob ich mit ‘hier’ das Netz oder Hamburg meine oder beides. Über einen längeren Zeitraum nichts zu schreiben war nie eine Option, aber vielleicht könnte es eine werden. Wer nicht schreibt, der ist tot.

Der Schweiß tropft fast von den Wänden, das Gedränge wird immer dichter. Das hässliche Insekt zieht sich in eine Nische im Fensterrahmen zurück. Das Insekt stirbt, wenn ich es hier nicht raushole. Meine Station kommt gleich. Ich ziehe eine Visitenkarte aus der Tasche, scheuche das Insekt damit aus seinem Spalt, es wehrt sich, es will sterben, aber Sterben gibt es heute nicht im Programm. Ich fange es auf, als es sich fallen lässt, um der Belästigung durch mich zu entkommen und schließe schnell, aber vorsichtig die Hand. Ich verpasse meine Station. Die Menschen, die mich bei der Aktion beobachten, blicken mich angewidert an, als wäre ich ein Aussätziger. Ich trage das Tier raus an die Luft und als ich die Hand öffne, kriecht es meinen Ringfinger bis zur Spitze hinauf und fliegt dann davon. Auf dem langen Weg, den ich wegen der falschen Station laufen muss, fühle mich bei jedem Schritt wie ein Held.

Kommt der Sommer, bin ich allein. Wird wieder Winter, bin ich wieder allein. Ab und zu bekomme ich Besuch, oft von weit her, manchmal schlafe ich mit meinem Besuch, manchmal unternehmen wir einfach nur Dinge. Ich stelle es dann so dar, als wäre ich nicht dauernd allein, karre meine mir im Grunde fremden Bekanntschaften auf goldenen Wägen an und jeder Besuch ist beeindruckt von dem Leben, das ich hier führe. Dann fährt der Besuch wieder weg und ich bin wieder allein. Ab und zu finde ich Menschen, manchmal habe ich Affären mit einzelnen Menschen, manchmal Affären mit Menschen als Gruppen, machmal eine Art von Freundschaft, aber das geht wieder weg, weil ich zu viel arbeite und zu schnell zu viel will. Vielleicht ist das der Kern des Lebens, das ich führe, seitdem ich weggegangen bin, weil ich mehr wollte als nur ein Leben in einem winzigen Dorf im tiefsten Bayern: Aushalten, dass ich allein bin. Mit Dir war es nicht so. Mir fehlt die Metaphysik des Alltags, deren Anwesenheit ich permanent an den Orten spürte, an denen wir zusammen waren und seither nicht wieder.

„Du denkst in so bizarren Kategorien wie Extra- und Intraversion (und wunderst Dich dann, warum Du nicht herausfindest, welches von beiden Du bist), aber lässt nie Deine Persönlichkeit einfach fliessen. Zweifle alles an, aber fang nie bei Dir selbst damit an. Kannst Du kurz mal mein Gesicht halten? Ich möchte anonym wirken.“

Auf der Vernissage kommt B. zu mir und umarmt mich, dann steht sie völlig deplatziert neben mir. Ihre Fotos sind mit einem iPhone gemacht, aber besser als der meiste Hochglanzscheiß, der hier sonst noch so rumhängt. Der Koch und die Töpfe.

„Wieder nur Stücke, als würde ich kotzen.“

Das Konsumlevel ist höher als das Produktionslevel. Vermutlich bin ich immer unglücklich, wenn das geschieht. Wenn ich mich nicht fokussieren kann, wenn ich Unmengen an Texten, Bildern, bewegten Bildern in mich hineinschlinge, ohne selbst im notwendigen Maße einen Output zu schaffen. Dinge geraten dann in Schieflage, die innere Balance ist nicht mehr hergestellt. Wer nicht schreibt, der ist tot.


Restedenken (I)

Über einen längeren Zeitraum nichts zu schreiben war nie eine ernsthafte Option. Wenn man nicht schreibt, dann tun es andere dennoch und man steht nur daneben und ärgert sich über sich selbst, es bleibt einem nur noch das Lesen, der Konsum. Nicht zu lesen geht auch nicht, wenn es das einzige Konsummedium ist, dass Du dauerhaft ertragen kannst. Ohne Konsum und Produktion droht schlimmstenfalls Stumpfsinn, bestenfalls willst Du plötzlich Dinge aus Holz bauen (ich wollte eigentlich schon immer mal Dinge aus Holz bauen).

Die zum zweiten Mal vorgetragene Frage, warum sie die Dateien in wild durcheinanderfliegende Ordner in ihrem Rechner wirft, in denen sie nichts wiederfindet und nicht stattdessen ein paar vernünftig sortierte Ordner aufmacht, beantwortet sie damit, dass sie ein Lied singt und dann lacht, eine Reaktion, die ich zunächst gar nicht als Antwort auf die Frage auffasse. Ich lache einfach mit. Ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch mit Internetanschluss, der dieses Lied nicht kennt. Ich finde ein paar Tage später heraus, dass es „Gangnam Style“ heißt, das Wort „Gangnam“ hatte sie allerdings durch „Deutschland“ ersetzt. Die Antwort war ein deutliches: „Du verhältst Dich gerade sehr typisch für Dein Land.“

In meiner Bio-Kiste ist ein toter Schmetterling. Der Schmetterling hat keinen Kopf mehr. Ich habe das schon oft gesehen, dass bei toten Insekten die Teile, hinter denen sich organisches Gewebe befindet, zuerst sehr fragil werden und dann bei kleinsten Erschütterungen einfach zerbrechen, während andere Teile äußerst stabil sind und dem Lauf der Zeit trotzen. Bei Menschen ist es ja im Grunde auch so, nur besser nach innen und außen sortiert und ohne Zerbrechen.

Ich stehe genau dort, wo die Funken landen. Das Osterfeuer ist riesig, dummerweise hat man offenbar trockene Zweige angezündet, was die Anzahl der Funken massiv erhöht. Es ist dunkel und das alles sieht wirklich wunderschön aus. Statt den Standort zu wechseln lege ich den Kopf in den Nacken und gucke in die Richtung des glühenden Regens, der aus dem Himmel in meine Richtung fällt. Ein Funke landet auf meiner Nase, dort habe ich jetzt eine kleine rote Stelle, die aber langsam schon wieder verblasst.

Wenn man Aufmerksamkeit haben will, dann reicht der einfache Trick, ein Battle-Rapper zu werden. Tape Deinen Kopf wie ein Boxer seine Hände und zerleg ein paar Texte von anderen Autoren, die viele Leser haben. Noch leichter ist es nur, das Fernsehen oder „die Medien“ anzugreifen. Leider ist es auf Dauer auch ziemlich ermüdend und man hat am Ende selbst überhaupt nichts geschaffen, dass von Belang wäre, sondern nur dumm rumgemeckert. Oppa Deutschland Style.


Konzert.

Ich sitze in einem Zelt. Ich sitze in einem Zelt an einem See in einem Wald. Ich sitze in einem Zelt an einem See in einem Wald, es ist stockfinstere Nacht und ich bin alleine hier. Aber ich bin nicht alleine hier. Viele von denen, die sonst noch hier sind, kann ich hören, sie sind überall um mich herum. Ich werde ihnen die ganze Nacht lang zuhören, denn sonst habe ich hier nichts zu tun. Zuerst höre ich die Enten und Schwäne, die in einer großen Gruppe irgendwo auf dem See unterwegs sind. Nach einiger Zeit bemerke ich, wie sich das konstante Zirpen von Grillen in das immer wieder anschwellende und verstummende Geschnatter mischt.

Ich habe am frühen Abend einen Rucksack mit einem Schlafsack darin und ein Zelt in mein klappriges Auto gepackt und bin von Hamburg aus etwa 60 Kilometer nach Norden gefahren. Auf der Karte entdeckte ich während der Fahrt mitten im Nirgendwo ein Naturschutzgebiet mit einem See, an den ich so nah wie möglich heranfuhr. Dort parkte ich das KFZ, schulterte Rucksack und Zelt und wanderte eine halbe Stunde durch den Wald um den See herum. Als ich eine geeignete Stelle direkt am Ufer gefunden hatte, baute ich das Zelt auf, las einige Zeit gelangweilt in einem Buch und wartete darauf, dass es dunkel wurde. Dann wurde es dunkel.

Der weitaus größere Teil meiner Gesellschaft schweigt die ganze Nacht: Weberknechte, Spinnen, schwer identifizierbare Insekten verschiedener Arten und Nacktschnecken belagern in Massen mein Zelt. Still ist es zu keiner Zeit an diesem Ort, im Gegenteil herrscht eine absolut erstaunliche Geräuschkulisse. Ab etwa 23 Uhr folgt der psychedelische Teil des akustischen Erlebnisses: Verschiedene Gattungen von Fröschen, die am Rande des Wassers Töne erzeugen vermischen sich mit einer nachtaktiven Schaferde, die auf der anderen Seite des Sees ihr merkwürdiges Unwesen treibt. Das einander immer wieder überlagernde Wechselspiel der Stimmen der Frösche und der Schafe, oft unterbrochen von undefinierbaren Lauten und gelegentlich dezent untermalt vom Rauschen einer weit entfernten Bahn, zieht sich über Stunden.

Eineinhalb Stunden lang ist es etwas ruhiger. Nur ein paar leise summende Mücken, die einen Weg in das Zelt gefunden haben, durchbrechen die Stille. Ich dämmere etwa eine Stunde verstört vor mich hin.

Um etwa vier Uhr Morgens beginnt die Hauptvorstellung. Es sind eine gefühlte Million Vögel, die in Dolby Surround spielen. Sie spielen verdammt komplexe Songs mit verschachtelten Strukturen, die Gruppen von Akteuren und Einzelinterpreten wechseln in Verlauf der vierstündigen Darbietung permanent. “Das müssen mindestens hundert verschiedene Tiere sein, die da draußen parallel Laute erzeugen”, denke ich nach einiger Zeit, bin mir etwas später aber nicht mehr sicher, ob mein Verstand mit dieser Einschätzung nicht doch übertreibt. Ich höre mir die komplette Show an, es ist eines der surrealesten Erlebnisse, die ich seit langer Zeit hatte, obwohl es doch eigentlich eines der natürlichsten Dinge ist, die man erleben kann. Ich stelle mir beim Zuhören vor, wie die Vögel aussehen, die diese so unterschiedlichen Gesänge von sich geben, bei den Sopranisten stelle ich mir zierliche, bunte, kleine Tierchen vor, die in Scharen in den Ästen der Bäume vergnügt nebeneinander pfeifen, die Bassstimmen machen in meiner Phantasie dicke, grimmige Einzelgänger im Unterholz. Oft ist auch eine Art von Percussion in den Vogelstimmen, surrende, scharrende Laute, die wenig Melodie haben. Meine Lieblingsinterpreten unter vielen eigentlich viel ausführlicher zu erwähnenden sind das Federvieh, das etwa eine halbe Stunde lang in verschiedenen Modulationen zwischen ganz anderen Gesängen immer wieder ein Geräusch macht, das klingt, als hätte man dem Miauen einer Katze jeweils den ersten und letzten Laut entfernt (er bekommt den Spitznamen “Halbe Katze”) und ein herausragender Sopran, der nur ein paar Minuten lang ein Solo vorträgt, dessen Melodie mir weit über diese Nacht hinaus im Gedächtnis bleibt, weil es in seiner Schönheit alles andere übertrifft, was ich in dieser Nacht zu Ohren bekomme.

Niemand weiß, dass ich hier rausgefahren bin. Bis ich am frühen Abend beim Aufräumen über mein in den letzten Monaten zu selten genutztes Zelt gestolpert bin, wusste ich selbst nichts von der Idee. Vielleicht bin ich tatsächlich nur deswegen gekommen, um, zusammen mit dem vielen anderen niederen Getier, das selbst keine Töne erzeugt, diesem Konzert zu lauschen. Je länger ich konzentriert zuhöre, desto mehr glaube ich, dass ich genau deswegen hier bin.

Gegen acht Uhr geht die Sonne hinter ein paar tiefhängenden Wolken auf. Ich krieche durch die Öffnung nach draußen und blicke auf das Schilf und den See, der keine zwei großen Schritte von mir entfernt liegt, der wirklich eindrucksvolle Teil der Vorstellung ist inzwischen vorbei. Eine einsame Möwe zieht im Tiefflug über das Wasser und kreischt dabei langgezogen, während ich eine Zigarette rauche. Das Kreischen der Möwe klingt extrem vergnügt, als würde sie voller Erstaunen über sich selbst rufen: “ICH FLIIEGE, ALTER, ICH FLIIIIIEGE!”

Ich packe meine wenigen Sachen, rolle den Schlafsack zusammen, stecke ihn wieder in die Plastiktüte und dann in den Rucksack. Ich ziehe die Heringe aus dem Boden, verstaue sie in der kleineren Tüte, befreie die Stangen vom Zelt, falte sie zusammen und stecke sie in die große Tüte, platziere das Überzelt erneut sorgfältig über dem Zelt, falte das Paket sorgfältig mehrmals und schaffe es gerade so, den ganzen Kram in die Zelttasche zu stopfen. Ich habe Glück: Als ich den Weg zum Auto fast beendet habe, beginnt es in Strömen zu regnen. Zu Hause angekommen, breite ich den im Laufe der Nacht außen leicht feucht gewordenen Schlafsack aus, um ihn zum Trocknen aufzuhängen. Eine winzige, offenbar noch sehr junge Schnecke, die vom See mit mir nach Hamburg gereist ist, fällt auf den Küchenboden und will sich, so schnell sie kann, irgendwo verkriechen. Sie kann nicht besonders schnell. Ich sammle sie auf und trage sie vorsichtig runter in den Garten. Wir sind Komplizen.


(Vor)Urteil.

Ich habe kein Recht, Dich für Deine Handlungen zu verurteilen. Aber ich habe ein Recht dazu, Dinge zu fühlen. Wenn sich eine Handlung wie ein Verrat anfühlt, dann habe ich alles Recht der Welt dazu, einen Verrat zu proklamieren und mich von der Person fernzuhalten, die den Verrat begeht. Ich bin vorsichtig mit Menschen, weil ich weiß, dass sehr viele von ihnen langweilige, einfach gestrickte Wesen sind, die eine Andersartigkeit nur vortäuschen, um Interesse bei ihren Mitmenschen zu wecken. Ich warte lange ab, bis ich einer Person mein volles Vertrauen schenke und beobachte sie in der Zwischenzeit. Sehr oft stellt sich heraus, dass sie nicht vertrauenswürdig ist. Die Art und Weise, wie Du mir mitgeteilt hast, dass Du jemand anderen gesucht und gefunden hast, vordergründig wegen meines Abwartens, hintergründig deswegen, weil Dir im Prinzip egal ist, wer an Deiner Seite geht, weil es Dir niemals um mich, sondern um Deine Probleme mit Einsamkeit ging, sprach das Übrige. Es lag Triumph in Deinen Worten, als ob Du mit dieser Tat gegen mich gewonnen hättest, obwohl es nie irgendeinen einen Wettkampf zwischen uns gab. Es gar nur meine Zurückhaltung und sie war in Deinem Fall ganz offenbar sehr berechtigt.


Freiheit.

„Ich glaube, Du verstehst mich nicht. Ich will Dir Freiheit geben.“

„Ich will keine Freiheit. Ich will bloß Nähe.“

„Du willst keine Freiheit? Ich will aber Freiheit. Jeder will Freiheit. Das ist der große Menschheitstraum.“

„Freiheit ist in der Theorie etwas für Leute, die damit umgehen können. Ich kann nicht damit umgehen. Eigentlich kann das niemand.“

„Was meinst Du?“

„Diese beschissene Freiheit oder der Begriff, der Freiheit bedeutet, ist die schlimmste Erfindung unserer Generation. Freiheit, das ist unverbindliche Scheiße. Sich nicht festlegen, nie irgendetwas entscheiden. Ich kenne eine Menge Leute, die Freiheit als ein wichtiges Gut proklamieren. Es sind meistens genau die Leute, die nichts richtig auf die Reihe kriegen und am Ende niemanden haben, weil sie mal hier und dort irgendwas tun oder jemanden kennen, aber nichts richtig. Freiheit führt zu Einsamkeit und damit auch zu Unglück. Ich will mich für etwas entscheiden, ich will unfrei sein.“

„Du tust so, als wäre Einsamkeit etwas negatives. Dabei ist doch gerade Einsamkeit der einzige Zustand, in dem man sich selbst findet. Das glaubt immer keiner, weil das Paradoxe daran ist, dass es sich anders anfühlt. Es fühlt sich immer so an, als wäre Vernetzung und die Gesellschaft von anderen Menschen das, was einen zu der Person werden lässt, die man ist. Man glaubt, man wäre nichts ohne seine vielen Freunde und Bekannten. Ins Wahrheit ist man aber nichts, wenn man nicht alleine sein kann. Man ist nur abhängig.“

„Ja, und? Es gibt keinen Fehler an der Art von Vernetzung, die Du beschreibst. Was ist das Problem damit, wenn man Menschen um sich haben will, auf die man sich verlassen kann? Gibt es denn niemanden mehr, auf den man sich verdammt nochmal verlassen kann? Der nicht irgendwann mit einem schwammigen Freiheitsargument daherkommt und einem erklären will, dass sowieso alles relativ ist? Ich scheiße auf Leute, die mir damit ankommen, dass Einsamkeit nichts negatives ist und bleibe lieber bei meinen engen Freunden.“

„Das Problem damit ist, dass man nicht unabhängig ist. Man weiß nie, ob das, was man fühlt, ein echtes Gefühl ist, oder nur die wiederkehrende Angst vor der Einsamkeit, die man nie zu ertragen gelernt hat. Wenn man Angst vor dem Alleinsein hat, dann wirft man sich jedem an den Hals, der einem über den Weg läuft und gaukelt sich noch selbst vor, es wäre die große Liebe. Ist die Person weg, dann ist der nächstbeste Mensch aus dem näheren Umfeld an der Reihe. Das ist totaler Quatsch: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Person, für die man wirklich gemacht ist, eine Person ist, die im gleichen Büro arbeitet? Soetwas kann nur unfreien Menschen passieren.“

„Das ist ja eine nette Theorie, die Du Dir da zusammengesponnen hast. Aber ich sag Dir mal was: Menschen, das sind auch nur Tiere. Und es gibt Tiere, die sind Herdentiere und dann gibt es Einzelgänger. Menschen sind sowas von ganz eindeutig keine Einzelgänger. Wir brauchen keine Freiheit. Wir brauchen eine Gruppe, in der wir uns wohl fühlen können. Eine stabile Gruppe. Alles andere füllt langfristig die Warteräume von Therapeuten in allen Großstädten. Und wie wir uns diese Gruppe zusammensammeln, ob es die eigene Familie oder die Clique oder die WG ist, das ist dabei sowas von irrelevant.“

„Das Gegenteil macht die Therapieplätze so kostbar. Was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist, dass er einen Willen hat. Und einen Verstand. Wir können uns entscheiden. Du kannst Dich entscheiden, ob Du ein willenloses Etwas bist, das davon gelenkt wird, dass es unbedingt mit anderen Leuten abhängen muss und es alleine nicht aushält, oder ob Du es schaffst, der Einsamkeit zu begegnen. Einsamkeit ist, wenn ich es aus Deiner Sicht betrachte, der einzige Endgegner. Aus meiner Sicht ist sie mein bester Freund. Wenn Du glücklich mit Dir selbst bist, dann ist alles andere das Sahnehäubchen und Du kannst überall sein, wo Du willst und bist glücklich.“

„Ich will gar nicht überall sein. Ich will bei Dir sein.“

„Ich auch. Aber ich will Dich nicht brauchen. Ich will es sein, weil ich es will, nicht, weil ich es muss.“

„Ich muss auch nicht. Es gibt ziemlich viele Menschen in dieser Stadt, die ich kennenlernen kann. Ich habe auch die Wahl, ob ich Dich wirklich will oder jemand anderen.“

„Hör auf mit diesem Scheiss. Sowas will ich nicht von Dir hören. Es verletzt mich, wenn Du das sagst.“

(Beide:) „Jetzt haben wir plötzlich die Rollen getauscht!“

-
(Für J.)


Tageinaus.

Es ist Dir alles so gleich und eintönig und gerade diese Gleichheit und Eintönigkeit macht es alles so fremd. Du kannst Dich nicht mit ihnen identifizieren, egal, wie sehr Du Dich dazu zu zwingen versuchst. Wie zum Teufel sollst Du je Spaß an diesen Dingen finden, für die sie sich tageinaus aufs Neue begeistern, als wären es die größten Sensationen, die die Welt je gesehen hat, ihre lustigen Bildchen auf Facebook, ihr stumpfes Voyeurfernsehen, ihre öden Gespräche auf noch öderen Parties, ihre Vorliebe dafür, einem Spiel zuzusehen, bei dem völlig fremde Menschen einem Ball hinterherlaufen, ihr Sinn für Humor, der einfach so anders ist als der Deinige und ihre Unfähigkeit, sich aus sich heraus für irgendetwas zu begeistern, für das sich nicht mindestens auch fünf andere Leute in ihrem Umfeld begeistern, so dass sie bloß mitlaufen und keine eigene Anstrengung investieren müssen und so vieles mehr? Du schaffst es vielleicht ein paar Mal, ein Interesse für diese Dinge vorzutäuschen, Dich kurz darauf einzulassen, alles abzuschalten, das sich in Dir wehrt, so zu tun, als wärst Du doch auch einer von ihnen, aber am Ende bleibt es Dir vom Kopf her eine völlig fremde Welt, an der Du nie teilhaben wirst und wenn Du es wagst, das offen zuzugeben, dann beschimpfen sie Dich als arrogant und überheblich und dann bist Du nicht mehr der merkwürdige Typ mit den sonderlichen Interessen, sondern der überhebliche Typ, der sich mit den Sachen nicht zufriedengibt, die doch alle tun und die jeder gut findet, der sich immer nur abgrenzen will und dann wirst Du noch fremder, als Du es bereits bist.

Es ist Dir alles so gleich und eintönig und so setzt Du Dich jeden Abend hin und schreibst über diese Fremdheit, immer in der Hoffnung, dass es da draußen wenigstens einen anderen Menschen gibt, der die Dinge so empfindet wie Du sie empfindest und dass diesen einen Menschen die Flaschenpost erreichen könnte, weil Deine Natur Dich dazu zwingt, andere Menschen zu suchen. Du hasst Deine Natur oft dafür, dass sie Dich zu so einem Mangelwesen gemacht hat, das Trieben und Zwängen unterworfen ist wie ein Tier, das eine Herde suchen muss, die es scheinbar gar nicht gibt und versuchst gegen diese Natur in Dir zu kämpfen, obwohl Du weisst, dass Du nicht gewinnen kannst. Zu anderen Zeiten wieder resignierst Du angesichts dessen, was in Dir ist und was Du nie besiegen kannst, streckst die Waffen und beginnst auch im echten Leben nach Menschen zu suchen, die Dir ähnlich sein könnten. Manchmal glaubst Du dann, eine solche Person gefunden zu haben, die Du tatsächlich mögen könntest, jemanden, der Teil Deiner verlorengegangenen Herde sein könnte, aber dann geht entweder gleich alles schief oder irgendwann viele Jahre später, in denen Du nicht einmal geahnt hast, dass doch irgendetwas nicht stimmt, die Gründe verstehst Du selten richtig, denn Du wolltest dem Anderen ja nie etwas Böses, im Gegenteil hast Du doch Dein ganzes Leben nur nach ihm gesucht.

Es ist Dir alles so gleich und eintönig und so irrst Du weiter und drehst Dich im Laufe der Jahre nur dauernd im Kreis und bevor Du es bemerkst, bist Du selbst gleich und eintönig geworden, nur auf Deine eigene, ganz besondere Art und Weise.


Herbstskizze

„Was gibts?“, frage ich.

„Ach, eigentlich nichts. Bist du zu Hause?“

Ich überlege, ob ich lügen soll. „Ja“, antworte ich wahrheitsgemäß. Eventuell hätte sie es sonst auf meinem richtigen Telefon probiert und ich hätte den ganzen Tag nicht rangehen können, ohne mich zu verraten. Nicht, dass ich normalerweise ans Telefon gehen würde. Ich habe, wenn es um meine private Einsiedelei geht, keine Probleme damit, zu lügen. Bei einer Lüge ertappt zu werden ist dann schon wieder etwas anderes.

„Könntest du mich vielleicht um halb vier am Bahnhof abholen, wenn ich ganz unverschämt fragen darf?“

Die direkte Tour. Guter Trick. Es hilft bei solchen Fragen, wenn man die zugehörige Selbsteinschätzung gleich mitliefert. Zumindest bei mir.

Was soll ich darauf antworten? Mir schnell eine Ausrede einfallen lassen? Zu anstrengend, ich bin grade aufgewacht, habe die halbe Nacht gesoffen und an einem Stück Scheiße geschrieben, das niemals ein Roman werden wird. Ein Fragment, sozusagen. Irgendwie schreibe ich nur Fragmente.

„Klar. Ich bin da“, antworte ich in einem Ton, der darauf hinweisen soll, dass es mich stört, wenn man mir die Bedingungen diktiert, nach denen ich meine nie vorhandene Zeit zu verbringen habe.

Auf Bahnhöfen auf jemanden zu warten ist eigentlich ein richtig tolles Konzept dieser merkwürdigen Realität. Noch dazu, wenn es Herbst ist. Vielleicht fällt mir deswegen keine Lüge ein. In meiner Phantasie haben die Züge nur wegen der Leute Verspätung, die gerne im Herbst auf Bahnhöfen warten. Vielleicht sind das in Wirklichkeit mehr als man glaubt.

„Super, danke“, sagt sie.

„Kein Problem“, sage ich.

Es ist fast halb drei. Ich fahre besser gleich los. Vielleicht weiß der Zugführer gar nichts von diesen Leuten. Vielleicht ist er neu im Geschäft.


Traumsequenzen (X)

Neuartige Turngeräte aus lebenden Giraffen. Ich nehme zwei davon mit und benutze sie in der U-Bahnstation, vor mir ein Hut, um Geld für die Weiterentwicklung des Konzepts zu sammeln. Ich arbeite für eine Firma, die derartige Dinge herstellt. Niemand schenkt dem Treiben irgendeine Beachtung, der Trick hat sich schon abgenutzt. Die Tiere müssen sich bücken, damit hier reinpassen und die Rolltreppe ist jedesmal das größte Hindernis.

Später: Ich werde damit beauftragt, ein neues Grab für Salvador Dalí zu entwerfen. Meine Idee ist eine von Pflanzen überwucherte, schwere Holztür in einem ebensolchen Rahmen, die einfach so in der Gegend steht. Die Tür hat ein Klingelschild mit goldenen Knöpfen, statt Namen stehen dort die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder des Toten. Über dem Klingelschild ist eine Gegensprechanlage angebracht.

Eine alte Bekannte nimmt meine Hand und legt sie zwischen ihre Beine. „Mach Dich mal nützlich, statt immer nur dieses merkwürdige Zeug“, sagt sie.

Ich irre durch die Stadt und versuche, zur richtigen U-Bahnstation zu gelangen. Es gelingt mir nicht, ich kann die Karten plötzlich wieder genauso schlecht lesen wie in meinen ersten Wochen in der Großstadt, in der ich Menschenangst als Grund dafür vorgeschoben habe, dass ich niemals mit der Bahn fuhr. Ich weiß nicht warum, aber ich habe plötzlich Blut an der Unterlippe und dann fallen alle meine Zähne in meinen Mund. Ich spucke sie in meine Handfläche und starre den blutigen Haufen an. „Ha, da kann sich die Krankenkasse aber nicht wieder rausreden, dieses Mal müssen sie zahlen“, denke ich und lächle zahnlos.