Freiheit.

„Ich glaube, Du verstehst mich nicht. Ich will Dir Freiheit geben.“

„Ich will keine Freiheit. Ich will bloß Nähe.“

„Du willst keine Freiheit? Ich will aber Freiheit. Jeder will Freiheit. Das ist der große Menschheitstraum.“

„Freiheit ist in der Theorie etwas für Leute, die damit umgehen können. Ich kann nicht damit umgehen. Eigentlich kann das niemand.“

„Was meinst Du?“

„Diese beschissene Freiheit oder der Begriff, der Freiheit bedeutet, ist die schlimmste Erfindung unserer Generation. Freiheit, das ist unverbindliche Scheiße. Sich nicht festlegen, nie irgendetwas entscheiden. Ich kenne eine Menge Leute, die Freiheit als ein wichtiges Gut proklamieren. Es sind meistens genau die Leute, die nichts richtig auf die Reihe kriegen und am Ende niemanden haben, weil sie mal hier und dort irgendwas tun oder jemanden kennen, aber nichts richtig. Freiheit führt zu Einsamkeit und damit auch zu Unglück. Ich will mich für etwas entscheiden, ich will unfrei sein.“

„Du tust so, als wäre Einsamkeit etwas negatives. Dabei ist doch gerade Einsamkeit der einzige Zustand, in dem man sich selbst findet. Das glaubt immer keiner, weil das Paradoxe daran ist, dass es sich anders anfühlt. Es fühlt sich immer so an, als wäre Vernetzung und die Gesellschaft von anderen Menschen das, was einen zu der Person werden lässt, die man ist. Man glaubt, man wäre nichts ohne seine vielen Freunde und Bekannten. Ins Wahrheit ist man aber nichts, wenn man nicht alleine sein kann. Man ist nur abhängig.“

„Ja, und? Es gibt keinen Fehler an der Art von Vernetzung, die Du beschreibst. Was ist das Problem damit, wenn man Menschen um sich haben will, auf die man sich verlassen kann? Gibt es denn niemanden mehr, auf den man sich verdammt nochmal verlassen kann? Der nicht irgendwann mit einem schwammigen Freiheitsargument daherkommt und einem erklären will, dass sowieso alles relativ ist? Ich scheiße auf Leute, die mir damit ankommen, dass Einsamkeit nichts negatives ist und bleibe lieber bei meinen engen Freunden.“

„Das Problem damit ist, dass man nicht unabhängig ist. Man weiß nie, ob das, was man fühlt, ein echtes Gefühl ist, oder nur die wiederkehrende Angst vor der Einsamkeit, die man nie zu ertragen gelernt hat. Wenn man Angst vor dem Alleinsein hat, dann wirft man sich jedem an den Hals, der einem über den Weg läuft und gaukelt sich noch selbst vor, es wäre die große Liebe. Ist die Person weg, dann ist der nächstbeste Mensch aus dem näheren Umfeld an der Reihe. Das ist totaler Quatsch: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Person, für die man wirklich gemacht ist, eine Person ist, die im gleichen Büro arbeitet? Soetwas kann nur unfreien Menschen passieren.“

„Das ist ja eine nette Theorie, die Du Dir da zusammengesponnen hast. Aber ich sag Dir mal was: Menschen, das sind auch nur Tiere. Und es gibt Tiere, die sind Herdentiere und dann gibt es Einzelgänger. Menschen sind sowas von ganz eindeutig keine Einzelgänger. Wir brauchen keine Freiheit. Wir brauchen eine Gruppe, in der wir uns wohl fühlen können. Eine stabile Gruppe. Alles andere füllt langfristig die Warteräume von Therapeuten in allen Großstädten. Und wie wir uns diese Gruppe zusammensammeln, ob es die eigene Familie oder die Clique oder die WG ist, das ist dabei sowas von irrelevant.“

„Das Gegenteil macht die Therapieplätze so kostbar. Was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist, dass er einen Willen hat. Und einen Verstand. Wir können uns entscheiden. Du kannst Dich entscheiden, ob Du ein willenloses Etwas bist, das davon gelenkt wird, dass es unbedingt mit anderen Leuten abhängen muss und es alleine nicht aushält, oder ob Du es schaffst, der Einsamkeit zu begegnen. Einsamkeit ist, wenn ich es aus Deiner Sicht betrachte, der einzige Endgegner. Aus meiner Sicht ist sie mein bester Freund. Wenn Du glücklich mit Dir selbst bist, dann ist alles andere das Sahnehäubchen und Du kannst überall sein, wo Du willst und bist glücklich.“

„Ich will gar nicht überall sein. Ich will bei Dir sein.“

„Ich auch. Aber ich will Dich nicht brauchen. Ich will es sein, weil ich es will, nicht, weil ich es muss.“

„Ich muss auch nicht. Es gibt ziemlich viele Menschen in dieser Stadt, die ich kennenlernen kann. Ich habe auch die Wahl, ob ich Dich wirklich will oder jemand anderen.“

„Hör auf mit diesem Scheiss. Sowas will ich nicht von Dir hören. Es verletzt mich, wenn Du das sagst.“

(Beide:) „Jetzt haben wir plötzlich die Rollen getauscht!“

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(Für J.)