Flohmarktbriefe (X)

Friedrich ‘Fritz’ Ritter an Maria ‘Mietze’ Priester, 21.Januar 1921

Mieze, liebe Mieze,

Weshalb bist Du mir so aufgeregt? Gab Dir, mein Lieb, denn mein letzter Brief noch keine Beruhigung? Die richtige Erklärung für das „entsetzliche Schweigen“ hast Du bereits selbst gefunden. Meine Karte bestätigte die von Dir flüchtig geäußerte Vermutung, ich könne meinerseits was tun. Das tat ich denn ausgiebig zwölf ganze Tage lang und mir war wirklich nicht wohl dabei. Dafür sorgten jene Andeutungen, die Du in Verbindung mit den Äußerungen des Schmerzes über den bösen Brief laut werden ließest. Du suchtest mich wohl zu beschwichtigen mit dem an sich ja erfreulichen Wort so leicht ließest Du Dich nicht „herumkriegen“, und ich möchte mir „nicht schlimmes“ denken. Aber Du gibst selbst in Deinem letzten Schreiben ein Beispiel dafür, wie schnell man sich etwas schlimmes denkt. Auch wenn nicht der geringste Grund vorhanden ist. Wenn jedoch ein solche Anlaß vorliegt, wenn schon einmal von einem Unwohlsein des Liebsten die Rede gewesen ist, von dessen endgültiger Überwindung noch keine Kunde kam, wenn man befürchten muss dieses Unwohlsein – zwar ungewollt – selbst noch verstärkt zu haben, dann, nur dann lässt sich eine Erregung rechtfertigen, wie Du sie, mein süßes, holdes Mächen, zeigts, ohne trifftige Ursache und ich sie empfand mit guten Grund, wie Du billig gestehen musst. An eine Art Revanche Deinerseits habe ich selbstredend – um es hier gleich zu sagen – nicht gedacht. Das Wort fuhr mir nur so heraus in dem Bestreben den inneren Aufruhr irgendwie Luft zu machen. Sinn hatte es nicht. Wie entspräche eine solche Absicht auch Deiner Herzengüte und Lauterkeit.

Und nun kam endlich Dein lieber, lieber Brief. Mit welcher Freude empfing ich ihn, legte ihn erst eine ganze Stunde lang vor mich hin, um mich daran zu entzücken wie an einem süßem Geheimnis, dessen Entschleierung nahe bevorsteht. Und dann erschloß ich ihn. Alle Besorgnisse, es könnte Dir inzwischen nicht gut ergangen sein, schwiegen mit eins. Ich begann zu lesen in der wonnigen Überlegung, nur herrliche Eindrücke zu empfangen. Und sie waren es. Welch Meer von Liebe gießt Du doch über mir aus, mein Glück, mein Leben, meine Mieze! Liebe, Liebe, klingt mir beseeligend auch aus all Deinen Klagen entgegen. Mieze, liebe Mieze, ich bin Dir doch so gut, so unendlich wie Du mir. Ich wünschte, ich könnte mich durch die Lüfte zu Dir schwingen, wenn Du von den Bergen meinen Namen ins Weite rufst. Still! Hörte ich eben nicht Deine Stimme? Nein, mein Blut nur singt Mieze, Mieze und wird es singen in Ewigkeit fort.___________

Wenn ich den Brief nicht sofort forttrage erhältst Du ihn vor Montag nicht mehr. Daher breche ich so kurz ab, um bald fortzufahren. Bin so müde, da es sehr viel zu tun gab. Erzähle davon. Bette nun mein Haupt in Deinem Schoß u. schlafe, träume. Von wem wohl? Du, Liebe?

Dein Fritz.

*Orthographie, Interpunktion und Paragraphen wie im Original. Das Copyright an diesen Texten liegt bei dem aktuellen Besitzer (dem Autor dieses Blogs). Anm. des Transkribienten.