Vampire.

Eins.

Vom einem Ort aus, an dem kein Leben herrscht (Schreibtisch) agiert der untote Poet, bevorzugt des Nachts, bleich vor dem Notebook im fahlen Licht desselben. Die Beziehungen zu den Menschen und der Gesellschaft pflegt er nur deswegen, um diesen ihr Blut, ihre metaphysische Essenz zu entziehen und sie in seinen Texten neuem, wiederum untotem und ewigem Leben zu überführen, idealerweise beißend (sic!) zynischer Art.

Er ist parasitärer Außenseiter, hält der Gesellschaft einen Spiegel vor und provoziert sie mit seiner ganzen Existenz-, Handlungs- und Denkweise. Und dennoch: Er braucht die Menschen. Um seine eigene Unsterblichkeit und tragische Existenz zu sichern. Der Dichter ist der Vampir.

Zwei.

Da standen wir also, zwei Vampire, heil- und hilflos ineinander verbissen.

Ich hätte es sehen müssen. Es ist nur so, dass ich mich längst damit abgefunden hatte, in dieser Stadt der einzige unserer Art zu sein. Ich wurde unvorsichtig, hatte diese gänzlich unwahrscheinliche Option gar nicht erst auf dem Radar, als ich sie traf. Meine gespielte Hilflosigkeit musste mich selbst wie das perfekte Opfer erscheinen haben lassen, und so geschah das, was eigentlich nicht geschieht. Ich habe zumindest noch nie davon gehört und ich habe lange und oft mit den Ältesten von uns über unsere Existenz gesprochen.

Berechtigterweise werden Sie jetzt fragen, was denn eigentlich passiert, wenn Vampire sich gegenseitig beißen. Ich kann ihnen keine Antwort auf diese Frage geben, aber die Tatsache, dass ich noch auf der Welt herumwandere beantwortet sie zumindest mir selbst teilweise. Ich habe keine wirkliche Erinnerungen an die Tage und Wochen nach dieser Nacht, aber der Moment an sich wird sich wohl nicht mehr aus meinem Kopf tilgen lassen. Es ist einer dieser Momente, in denen von allen Seiten verschiedene Puzzlestücke zusammenschießen, die man bereits als überflüssige Rest-Teile abgelegt hat und ein farbenprächtiges, arabeskes Bild formen, das Jahre existierende, vielgestaltige Zweifel endgültig zerstreut, aber genau so viele neue Fragen aufwirft. Stellen sie sich vor, Ihr Gehirn, sowieso schon ein Patchwork aus hunderten, ihre eigenen Gedanken überlagernden und permanent ein irres Grundrauschen erzeugenden Erinnerungs- und Emotionsfragmenten all derer, die ihre Opfer waren, würde mit einem anderen Gehirn dieser Art in einen Mixer geworfen und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde würden die Beiden in winzige Teile gehäckselt, die sich miteinander vermischen. Aber selbst das beschreibt es nur im Ansatz.