Von Felsen und Fischen.

Draußen regnete es tote Katzen, drinnen saßen wir vor der modernen Version der Schreibmaschine und begannen, während wir versuchten, gemeinsam einen Text zu verfassen, damit, unseren eigenen Entscheidungen noch weniger zu vertrauen als den leeren Verlockungen der Nostalgie bei den für das Schreiben leider notwendigen Gedanken an die Gespenster der Vergangenheit. Es schien auf eine Grundsatzdiskussion hinauszulaufen. Ich mochte Grundsatzdiskussionen. „Er hing mitten in der Luft und beschloss, dort Wurzeln zu schlagen. Es entsprach seinem Gemüth“, schrieb sie. Sie schrieb das Wort immer so uraltmodisch. Man musste sie dafür einfach lieben.

„Wenigstens treffen wir neuerdings unsere eigenen Entscheidungen und lassen und nicht mehr einfach vom Leben kidnappen, das solltest Du wertschätzen“, sagte ich. „Das haben wir viel zu lange gemacht, oder? Ich erinnere mich an eine Zeit, in der wir betrunken auf Sommerparties gingen, dann ein bisschen blöd guckten, uns treiben ließen und in Situationen gerieten, die viel zu viel mit uns gemacht haben, viel zu viel, das wir einfach zugelassen haben, ohne jemals  auch nur eine Sekunde lang darüber zu reflektieren, ob es wirklich das Richtige war. Erinnerst Du Dich an die Sache mit diesem Jura-Studenten? Ich dachte lange, das wäre das Ende von uns.“

Sie guckte nachdenklich auf den Satz, den sie geschrieben hatte. „Vielleicht ist es eher wie mit dem Stein“, sagte sie.

„Stein?“

„Dem Fels in der Brandung! Das sagt man doch so. Früher waren wir Kieselsteine in der Brandung. Wir wurden einfach fortgeschwemmt von dem, was passiert ist. Aber dann sind wir älter geworden und gewachsen und jetzt sind wir Felsen“, sagte sie.

„Der Vergleich passt nicht. Felsen fällen keine Entscheidungen. Sie stehen immer am gleichen Ort, das Wasser spült einfach um sie rum und wenn sie ganz lange an dort stehen, dann werden sie langsam zerrieben, so langsam, dass man es gar nicht merkt. Felsen sind das Gegenteil von Kieselsteinen. Und sie sind genauso schlimm.“

„Dann lass uns doch einfach Fische in der Brandung sein“, sagte sie.

„Was zum Teufel ist eigentlich eine Brandung?“, fragte ich und zündete mir eine Zigarette an. Sie stand auf, kam zu mir rüber und legte ihren Kopf auf meine Brust.

„Ich mag es, wie Du atmest. Dein Körper hebt sich dabei immer so langsam und fällt dann ganz schnell wieder nach unten, weil Du nicht atmest, sondern eigentlich immer seufzt“, sagte sie.

„Halt die Klappe“, sagte ich und küsste sie auf die Stirn.