Reflektion über Zerrspiegel.
Morgens gehört sie mir, verstehen Sie? Ich habe von Säure geträumt und davon, dass ich der Vergewaltigung angeklagt war.
Mein Körper spielt so etwas wie guter Cop – böser Cop mit mir und auch hier bin ich der Angeklagte, über dessen Schuld zumindest die Exekutive schon entschieden hat, es geht nur noch um das Geständnis. Wenn ich aufwache (die ersten Zigaretten des Tages oft bereits im Dämmerschlaf konsumiert) und das Licht und die Farben nach dem Öffnen der Augen immer wie ein kleines Wunder wirken, wie etwas, das alles andere als selbstverständlich ist, dann ist eigentlich der ideale Zeitpunkt, um zu einer Tastatur zu greifen und Worte niederzuschreiben. Die Technik hat es glücklicherweise geschafft, Geräte zu entwickeln, dank deren Hilfe ich dafür das Bett nicht verlassen muss. Mein Kopf ist noch leer, der vielgestaltige Seelenmüll der zu lange mit Menschen verbrachten Nacht ist weggeträumt, ein weißes Blatt liegt da und wartet darauf, gefüllt zu werden.
Diese Art, Gedanken zu verfassen, ist gewissermaßen das Gegenteil von Tagebuch schreiben, man schreibt frühmorgens, wenn man noch niemanden gesehen hat und gar nichts erlebt hat, eher prophetisch als reflektierend. Inhalte sind austauschbar, es geht immer nur um Strukturen. Der kitschigste Lovesong kann mit denselben gesungenen Worten ein Klassiker werden oder eben ein scheißkitschiger Lovesong bleiben, bei dessen akustischem Anblick sich jeder, der auch nur einen Funken von Geschmack hat, mit einem Schraubenzieher das Trommelfell ausschaben will. Meine Augen brennen, als in die Sonne gucke, da draußen wartet die Welt auf mich. Ich werde sie versetzen müssen, denke ich und lächle in mich hinein.