Tonfolge.
Wie diese rasend schnelle, abstrakte Musik in mich reinfließt und dort verarbeitet wird, als wäre es die Primärfunktion meiner Gehörgänge, eine Art trichterförmiger Eingang zu einem tonfolgenabsorbierenden, dauergierigen Behältnis zu sein, das nach immer mehr verlangt. Musik ist nicht wie andere Medien, man ist nicht satt, wenn man einem Song gehört hat, wie es bei einem Film oder Theaterstück der Fall ist, man will es direkt nochmal erleben und von richtig guter Musik wird man nie satt. Das Bedürfnis nach der Musik lässt nicht nach, wenn man sie gehört hat, sondern es wird stärker. Man wird hungrig. Ich habe nie verstanden, wie irgendjemand zum „Abschalten“ Musik konsumieren kann, für mich ist es mit höllischer Konzentration verbunden, weswegen ich es oft nur in meiner eigenen Gesellschaft und über Kopfhörer richtig gut kann. Ich trenne die einzelnen Instrumente voneinander, löse die Spuren auf, sortiere sie nach verschiedenen Kriterien, versuche, ihre individuellen Strukturen zu erkennen, setze sie dann in Kontext zueinander und baue so das Stück wieder zusammen und ich bin selten in der Lage, nebenher etwas Anderes zu tun. Der ideale Song für diese Herangehensweise ist etwa 8-10 Minuten lang und arbeitet nicht mit den üblichen Verse-Chorus-Verse-Schemata etwa der Musik, die im Radio gespielt wird, sondern eher mit nicht auf den ersten Blick erkennbaren, wiederkehrenden Themata oder sich ähnelnden Passagen. Das erklärt wahrscheinlich, warum ich beim ernsthaften Musikhören neben klassischer Musik, die verdammt gerne mag, auch wenn ich mir manchmal nicht sicher bin, ob ich sie wirklich durchschaue und Avantgarde-Kram aus den verschiedensten Genres, bei dem ich mir meist sicher bin, dass ich ihn durchschaue, vor allem stark gitarren- und strukturlastige Musik aus den verschiedensten und absurdesten Spielarten von Rock und Metal bevorzuge, die Namen wie „Shoegaze Black Metal“, „Mathcore“ oder „Drone Doom“ tragen und deren Musiker meist irgendwelche langhaarigen Leute aus kleinen Dörfern in den finstersten Wäldern von Skandinavien sind, die in ihrem Leben nie einen anderen Sinn gefunden haben, als irre schnell Gitarre zu spielen und fünfzehnminütige Kompositionen mit gurgelnder Gutturalakrobatik, die man auf keinen Fall mit Gesang verwechseln oder vergleichen sollte (denn dann kommt man zu dem Fehlschluss: „Der singt ja wie das Krümelmonster“, der etwa so dumm ist wie die Aussage „Das kann mein Sohn auch malen“ über moderne Malerei), und ebensoschnellen und präzisen Beiträgen ihrer Mitmusiker um diese Fähigkeit zu stricken.