Kaskade 5-6

Es war nicht so wie in meiner Vorstellung. In meiner Vorstellung sind diese Dinge viel größer. Das ist ein Grund dafür, warum ich dort so viel Zeit verbringe. Sie sucht ein Kajak für Berlin, hat sie gesagt, auf der Spree paddeln, natürlich. Anderswo giften sich fremde Menschen gegenseitig in Texten an, die ewige Droge heißt Zynismus, weil man unbedingt dabeisein muss, Präsenz zeigen, sehen und gesehen werden, aber bloß nicht zugeben, dass es einem doch heimlich Spaß macht oder dass man es grundabstoßend findet, man will ja nicht so sein. Du hast nie gelernt, ehrlich zu sein. Du schwimmst nur in der Mitte, weil es dort den meisten Applaus zu holen gibt. Asoziale TV-Sendungen gucken und in Echtzeit darüber Spott in Netzwerke kippen gilt als en vouge. „Ich mach irgendwas mit Medien. Den ganzen Tag lang, weil ich kein Leben habe.“ Eigentlich bräuchte ich nur ein verdammtes Lagerfeuer, eine Blockhütte im Wald und eine handvoll Menschen als Geiseln. In diesem avantgardistischen Schwarzweißfilm, der so wirkt, als wäre er mit dem Kameramodul eines alten Game Boys gedreht worden, zieht sich jemand die Haut vom Gesicht und lacht dabei. Nach einer Woche in Schweden wäre das Stockholm Syndrom abgeklungen, das nicht von der Entführungssituation verursacht wurde, sondern von dem Zustand im Jetzt. Vom äußerlichen Anschein her liebenswert, in der Realität eine Bestie. Gibt es jemanden, vor den Du Dich stellen und ohne auch nur ansatzweise mit dem Gehirn zu zucken „Ich liebe Dich“ sagen könntest? Nein, wir reden hier nicht vom Verliebtsein und den Schmetterlingen, sondern von der echten Nummer, die nicht erst wächst, wenn man sich irgendwann so arrangiert hat, dass man sich gegenseitig grade so ertragen kann, sondern die einfach ist, die nichts fordert und wie das natürlichste Ding auf der Welt einfach bestehen bleibt, egal, was der andere tut. Gibt es so jemanden? Wenn ja, dann schätze Dich glücklich, egal, was er oder sie antworten würde. Du hast noch etwas von dem in Dir, das ich suche.