Briefing (XXII)

Arr, Ihr lustigen Freibeuter von der Piratenpartei Deutschland,

da habt Ihr doch glatt mal 0,9% bundesweit bei der Europawahl 2009 geholt. Das muss man sich mal vorstellen: Fast jeder hundertste Wähler hat sein Kreuz bei Euch gemacht. Respektable Sache, aber noch cooler wäre das Ganze natürlich, wenn Ihr nicht so einen bescheuerten Namen tragen, solche populistischen Maximalforderungen verbreiten würdet und nicht so ein unglaublich einseitiges Programm hättet.

Jaja, ich weiß schon, für den Namen könnt Ihr nichts, der ist angelehnt an Euere schwedischen Kollegen, die dort oben in dem kleinen Land sogar unglaubliche 7% der Wähler erreicht haben und nun einen doch hoffentlich mit rostigem Säbel und Augenklappe bewaffneten Burschen ins Parlament schicken dürfen. Aber Euer Wahlprogramm zeichnet die Welt doch schon arg schwarz-weiß, gut-böse und ihr übernehmt dabei natürlich immer die extreme Gegenposition zu den finsteren, konservativen Kräften: Ihr wollt Software- und Genpatente abschaffen, Privatkopien komplett erlauben, das Urheberrecht reformieren und solches Zeug, das besonders bei den jugendlichen Internetnerds, die sich meistens so gut wie Null für Politik interessieren, wenn es nicht darum geht, dass sie in Ruhe ihr Zeug aus den Tauschbörsen ziehen dürfen, auf große Gegenliebe stößt.

Natürlich geht Ihr mit Eueren Ideen in die richtige Richtung, daran gibt es keinen Zweifel, dabei scheint Ihr aber keine fünf Schritte voraus zu denken, denn dass all diese Geschichten auch ihre negativen Seiten haben können, kommt Euch offenbar gar nicht in den Sinn (und leider auch genausowenig der versammelten Netzgemeinde, die euch ganz toll findet, was insbesondere auch die sonst so wahnsinnig kritischen Bloggerkollegen betrifft): Wer hätte denn noch ein Interesse daran, eine (Mais- oder Irgendwas-)Sorte zu erfinden, die vielleicht irgendwann das Hungerproblem löst, weil sie auch in der Wüste wächst, wenn er daraus keinen Profil schlagen könnte? Welcher Musiker kann denn nur von den Konzerteinnahmen leben? Von Autoren, anderen Künstlern und Softwareschreibern fange ich gar nicht erst an, denn die geben in der Regel nicht so viele Liveshows, über die sie ihr Geld kriegen können, wenn jeder ihren Kram kopieren darf. Informationelle Selbstbestimmung und der finstere Überwachungsstaat Orwell’schen Ausmaßes ist auch so ein Thema von Euch, das Euere Wähler wahnsinnig gut finden, während sie auf Myspace und Facebook darüber berichten, was sie gerade zu Abend gegessen haben und neue Bilder von der letzten Lan-Party hochladen. Wenn ich dann aber, wie heute Morgen bei heise.de noch lesen muss, dass Ihr zu den anderen Themen (im Grunde all das, das nichts mit Internet zu tun hat) gar keine Meinung haben wollt, dann frage ich mich schon, was diese ganze Nummer soll und ob man Euch eigentlich in irgendeiner Art und Weise ernst nehmen kann.

Es ist auch angekommen, dass Ihr eine Interessenpartei seid und dass Ihr so laut tösen müsst, damit man euch überhaupt wahrnimmt. Versteht mich bloß nicht falsch: Ich bin der Netzfreak schlechthin, aber Ihr seht halt nicht nur auf den ersten, sondern auch noch auf den dritten Blick wie ein paar populistische Spinner aus, die eigentlich keiner wählen kann, der ein bisschen reflektierter über Dinge nachdenkt als nur bis „ich will, dass der mich in Ruhe meine Mucke runterladen lässt, der böse Schäuble“. Ich erkläre Euch (und Eueren Apologeten) mal ganz kurz, wie Demokratie wirklich funktioniert, und es ist wirklich traurig, dass ich das tun muss: Da geht es darum, die beste Lösung für jung, alt, progressiv, konservativ, kurzum für Alle zu finden, einen Kompromiss, nicht darum, möglichst viele Punkte zu erzielen und dann allen anderen seinen Lebensentwurf, der ausschließlich an der eigenen Lebensrealität orientiert ist, einfach aufzudrücken. Und wenn Ihr jetzt mit dem Argument kommen wollt, dass Ihr ja bloß Opposition sein wollt, die problematische Verhältnisse mit starken Gegenpositionen aufzeigen will: Eine Utopistenpartei gibt es schon. Die träumt auch vor sich hin vom Wunderland, aber wenigstens in Bezug auf Dinge, die wirklich von etwas allgemeinerem Interesse sind.

Mast- und Schotbruch wünscht:
Käptn Raven III.