Wort für Wort (XL)

“Lass uns woanders hingehen. Die Band ist scheiße.” – “Woher willst Du das den wissen? Die haben doch noch nicht mal angefangen zu spielen.” – “Guck Dir mal die Leute hier an. Wenn die Mehrheit der Fans einer Band Hosen anhat, die mehr als einen Reißverschluss haben, muss die Band einfach scheiße sein.”


Musikalische Fundstücke (II): True Norwegian Black Metal

In einer manchmal etwas reißerischen, manchmal gruseligen, manchmal etwas langweiligen und oft unfreiwillig komischen Dokumentation versucht der Internetsender VBS.tv in seiner Musikdokumentationsreihe dem norwegischen Black Metal auf die Spur zu kommen. Es ist vielleicht auch nicht die beste Idee, das Ganze an Gaahl, Frontmann der etwas platten und eher zur qualitativen Mittelschicht des Genres gehörenden Band Gorgoroth aufzuhängen, die mit ihren theatralischen und provokative Auftritten oft die Grenzen des guten Geschmacks weit überschreitet, sehenswert ist das Ganz aber allemal. Nicht nur weil Ghaal, der ironischerweise im echten Leben den Vornamen Kristian trägt, sich im Laufe der fünfteiligen Dokumentation als alternder, Nietzsche-vereinfacht-wiedergebender, teueren Wein trinkender Waldschrat entpuppt, der eigentlich Pantheist und gar nicht mal so unsympathisch ist, sondern auch wegen der eindrucksvollen Landschaftbilder von Norwegen. Ansehen kann man sich den ersten Teil hier, der Rest findet sich hier auf der Webseite von VBS. Wem das alles zu finster ist, der darf sich hier einen Black-Metal-Sänger beim österreichischen Star Search-Casting oder hier zwei Black Metaller beim Plätzchenbacken angucken.


Musikalische Fundstücke (I): Radiohead covern Portishead

Johnny Greenwood und Thom Yorke, besser bekannt als die wichtigere Hälfte von Radiohead covern den bisher besten Song des Jahres 2008, Portisheads ‘The Rip’ backstage mit zwei akustischen Gitarren. Zu finden hier.


Review: Soulfly – “Conquer”

Ein bisschen was von Motörhead haben sie inzwischen schon, die Jungs um den brasilianischen Metal-Gott Max Cavalera, die unter dem Namen Soulfly ihr bereits sechstes Album veröffentlichen: In schöner Regelmäßigkeit von etwa zwei Jahren kommt die Band mit einem neuen Output um die Ecke und schlecht ist das nie, was Soulfly machen. Im Gegenteil: Wenn man das grandios-klassische letzte Album “Dark Ages” und das in der Zwischenzeit von Max gestartete Projekt Cavalera Conspiracy betrachtet, dann könnte man sogar vermuten, dass der dreadgelockte Bandkopf derzeit ein richtiges kreatives Hoch hat. Die neue Platte “Conquer” erlaubt sich ihre Eigenheiten: Sie ist einerseits nicht nur das vielleicht härteste Album der Band (es liegt nicht allein an Gastsänger David Vincent von Morbid Angel, dass schon der ironisch-platt betitelte Opener ‘Blood Fire War Hate’ in Death-Metal-Regionen vorstößt), andererseits auch stellenweise höchst experimentell, freilich im relativen Sinne, denn der typische Soulfly-Sound zwischen Thrash-Metal, groovenden Rhythmen und World-Musik-Elementen bleibt natürlich zu jeder Zeit dominant. Wobei die exotischen Instrumente und Strukturen dieses mal gar nicht so viel ‘World’ sind, sondern sich ausschließlich auf in Ägypten aufgenommene Sounds konzentrieren, was aber lediglich für das Protokoll interessant ist, denn soundtechnisch macht es keinen wesentlichen Unterschied. Dennoch haben Soulfly mit “Conquer” konzeptuell fast eine Kehrtwende gemacht: Versuchte die Band auf der letzten Platte noch, die ultimative Essenz ihres Sounds zu finden und auf Platte zu bannen, scheint es hier eher so, als würden die einzelnen Elemente konsequent zuende gedacht und eher ausgebaut als auf den Kern reduziert, was in Tracks wie dem schizoiden ‘Unleash’ (mit Dave Peters von Throwdown), dem slayeresken ‘Warmaggeddon’ sowie in diversen, sehr psychedelischen Interludes und Outros resultiert. “Conquer” ist insgesamt ein herausragendes Metal-Album geworden, mit dem Soulfly ihre Ausnahmestellung betonen. Sepultura können hier schon lange nicht mehr mithalten.

8 von 10 Punkten.


Der Musikjournalist (III)

Für die kommende Ausgabe des Stardust habe ich die finnische Band Lodger zu ihrem Album “How Vulgar” befragt. Meiner Meinung nach ist das Ganze ein viel zu seichter Mix aus anbiederndem Pop mit ein paar belanglosen Gitarrenakkorden. Selbiges brachte ich auch in einer Frage des Interviews vorsichtig zum Ausdruck. Nach vielen negativen Erfahrungen mit Bands, die mit Kritik gar nicht umgehen können, die auch schon mal Interviews spontan abbrechen oder Fragen einfach nicht beantworten, überraschte mich die Antwort in diesem Falle doch sehr:

“[Our] second album “How Vulgar” was made with bigger budget and we also did that by ourselves which turned out to be a big mistake: We fucked it up completely. Good songs were turned into a dickless overproduced whistling. Our chemistry didn’t work and we would have needed an outside producer to put it right. We didn’t have much fun doing it and you can hear it in an outcome: It’s very steril and boring. Shame, cause we think that there are many good songs in it. If done right it could be a good album.”

Die Plattenfirma wird den Jungs nach dem Artikel vermutlich einen Zwangs-Nachhilfekurs in Promotion und Pressearbeit verordnen, aber ich find’s toll: Endlich mal eine ehrliche Band. Und ihr erstes Album ist übrigens gar nicht mal so übel.


Review: The Verve – ‘Love Is Noise’ (Song)

Mehr als zehn Jahre sind vergangen seit dem vielleicht besten britischen Album der Neunziger nach Radioheads “OK Computer”. Richard Ashcroft hat in der Zwischenzeit drei Soloalben aufgenommen und während das erste davon, betitelt “Alone With Everybody” qualitativ fast an The Verve heranreichte, verlor er sich mit “Human Conditions” und “Keys To The World” zunehmend in pathetischem Soul mit zuviel Geigen, Klavieren und elektronischen Sounds. An seiner Stimme lag es nie, denn die blieb, im Gegensatz zu so manch alterndem Rocksänger, immer großartig und als es dann irgendwann im letzten Jahr hieß, dass The Verve wieder zusammengefunden hätten, war die Freude bei den immer noch vorhandenen Fans groß. Die wenig später exklusiv über die Webseite des NME veröffentlichte Jam-Aufnahme ‘The Thaw Sessions’ versprach eine Mischung aus dem psychedelischen Rock der Anfangsphase und dem grandiosen, zeitlosen Pop-Songwriting von “Urban Hymns”. Dieses Versprechen kann die Comeback-Single ‘Love Is Noise’, die seit gestern auf der Myspace-Seite der Band zu hören ist, nicht ganz erfüllen: Zwar ist Ashcrofts Stimme weiterhin über jeden Zweifel erhaben und der Song versucht auch, eben jenes trippige Element, das die Band zuletzt abgelegt hatte, mittels verzerrter Backgroundvocals zu reintegrieren, der Refrain des Songs, so oft er wiederholt wird, bleibt aber nicht wirklich kleben. ‘Love Is Noise’ ist zwar ein ohne Zweifel guter Song, aber nicht der erwartete Volltreffer.

6 von 10 Punkten.


Der Musikjournalist (II)

Das aktuelle Death Cab For Cutie-Album “Narrow Stairs” von Atlantic erhielt ich in einer scheußlichen, nur mit schwarzer Tracklist bedruckten Promo-Version ohne Hülle, die zudem mit Warnhinweisen darüber zugepflastert ist, dass diese CD ein Wasserzeichen enthält, das mich im Falle einer illegalen Verbreitung der Musik über das Internet ausfindig machen lässt. Das Ganze ist ziemlich ärgerlich, denn wenn ich schon für zwei Magazine über eine Band schreibe und damit in jedem Falle Werbung für ein neue Platte mache, dann will ich wenigstens einen Gegenwert in Form einer richtigen Version des Albums inklusive Artwork und Booklet haben. Noch ärgerlicher ist allerdings, dass man die CD gar nicht erst am PC abspielen kann, was dazu führt, dass ich das Notebook mit zu meiner Stereoanlage schleppen muss um dort das Album zu rezensieren. Nochmal mache ich das nicht. Die nächste Atlantic-Veröffentlichung, die in dieser Form hier ankommt, wird von mir schlicht und einfach nicht besprochen.


Review: Slipknot – ‘All Hope Is Gone’ (Song)

Nachdem Corey Taylor zuletzt zum zweiten Mal seine melodische Seite bei Stone Sour ausleben durfte, kehrt in Kürze die Band zurück, die eben dieses Zweitprojekt mit ihrem riesigen Erfolg erst möglich machte. Vorab kann man sich schon einmal den ersten neuen Song der neunköpfigen Ami-Band namens Slipknot auf roadrunnerrecords.com kostenlos herunterladen: ‘All Hope Is Gone’ heißt das Stück, das ausdrücklich nicht die offizielle Single des gleichnamigen Albums, sondern eher ein Appetizer sein soll. Zu selbigem taugt es ganz gut: Slipknot hauen auf die Kacke als wären sie eine überdrehte Trash-Groove-Metal-Band und haben sogar ein ganz passables Gitarrensolo in den Track integriert. Vom New Metal der Anfangstage ist hier jedenfalls kaum noch etwas zu finden. Insgesamt bleibt der Song aber dennoch mächtig belanglos: Melodische, grunge-artige Alice-In-Chains-Gesangslinien, die das letzte Album deutlich prägten und veredelten oder subtile Elemente sucht man bei vergebens, dafür wird ein platter Chorus hundertmal wiederholt, mächtig auf die Instrumente eingedroschen und laut gebolzt, was zum Glück durch die recht passable Produktion nicht zu einem totalen Soundbrei führt, auch wenn die Gitarren etwas zu weit nach hinten gemischt scheinen. Die Fans werden es wohl mögen, musikalisch gesehen ist ‘All Hope Is Gone’ leider ziemlich belanglos.

4 von 10 Punkten.


Der Musikjournalist (I)

Frisch aus der Post gefischt: Ein Päckchen von Roadrunner. Darin: Das kommende Soulfly-Album “Conquer” (VÖ: 29.07.) in einer leider sehr billigen Promo-Version, die ein bisschen aussieht wie eine selbstgebrannte CD mit selbstausgedrucktem Cover. Aber die Musik wird das vermutlich aufwiegen, schließlich ist das sechste Album von Max Cavaleras zweiter großer Band nach Sepultura nicht nur Nachfolger der bisher stärksten Soulfly-Scheibe “Dark Ages”, sondern auch die erste Veröffentlichung des wohl einzigen World-Music-Metallers nach dem grandiosen Nebenprojekt Cavalera Conspiracy. Ich bin gespannt. Eine Rezension folgt demnächst.


Band-Komplettreviews: Metallica

Kill ‘Em All (1983) – sehr wütendes, aggressives Erstlingswerk mit Potential 7/10

Ride The Lightning (1984) – der Quantensprung, schneidende Thrash-Metal-Riffs und gezupfte Passagen in vielschichtigen Songs, almost perfekt. 9/10

Master Of Puppets (1986) – nochmal genau das gleiche, nur diesesmal in absoluter Perfektion, eines der besten Metal-Alben überhaupt. 10/10

…And Justice For All (1988) – leicht überladenes, progressivstes Werk der Band. 8/10

Black Album (1991) – kongeniale Mischung aus Rock und Metal in langsamerer Gangart. 10/10

Load (1996) – großartig-bluesige Neuerfindung inmitten des Alternative der 90er. 9/10

ReLoad (1997) – zum Teil nur aufgewärmter Kaffee, der bei den Load-Sessions stehenblieb. 6/10

St.Anger (2003) – Lars Ulrich trommelt auf Fässern, die Band versucht zwanghaft modern und hart zu klingen. 4/10


In eigener Sache: Segam & AndiB.

Segam & Andi B. (mit bürgerlichen Namen heißen die Jungs Mario Mages und Andreas Bauer) und das von mir gedrehte Video zum Song “Lagerhaus” waren gestern bei Quer zu sehen. Den Beitrag kann man sich hier nochmal angucken.


Review: Gavin Rossdale – ‘Love Remains The Same’ (Song)

Viele stürzen tief ab, einige noch ein Stückchen tiefer: Nachdem Gwen Stefani die Umwandlung von der durchaus talentierten Rock-Sängerin bei No Doubt zur Möchtegern-Madonna mit diversen stylishen HipHop-Produzenten im Gepäck so halbwegs gut überstanden hat und dabei künstlerisch wenigstens nicht komplett in die Bedeutungslosigkeit gefallen ist, macht ihr Ehemann Gavin Rossdale, früher Sänger bei der von vielen respektierten (Post-)Grunge-Gruppe Bush, vor, wie man es noch konsequenter durchzieht mit dem Respektverlust in Sachen ‘ernsthafter Künstler’.

‘Love Remains The Same’ ist eine Tralala-Ballade, die gut und gerne in jedem Supermarkt oder Firmenhochhausfahrstuhl Deiner Wahl laufen könnte und mit ein paar möglichst weit nach hinten gemischten Alibi-Gitarren unverschämterweise auch noch so tut, als würde sie in irgendeiner Form an Institute- oder Bush-Zeiten anknüpfen. Und wenn man den Trailer zum kompletten Album “Wanderlust” auf youtube ansieht, dann steht durchaus zu befürchten, dass das hier nur der Anfang des Schreckens war. Rossdale entlarvt sich endlich als das, was einige schon länger vermutet haben: Ein zweiter Scott Stapp, der für ein paar wilde Jahre den Cobain gespielt hat, jetzt aber doch lieber ein bisschen Kohle einsacken will, um seinem Frauchen in nichts nachzustehen. Wuff.

3 von 10 Punkten.


Review: Ashes Divide – “Keep Telling Myself It’s Alright”

Da sind sie wieder, diese merkwürdig-atonalen Gitarrenriffs, zwischen denen sich (alp)traumartige Melodien hervorwinden. Billy Howerdel, früher der eher im Hintergrund waltende Chef und Hauptsongwriter von A Perfect Circle, macht endlich wieder Musik und er hat eine neue Band namens Ashes Divide. Wobei ‘Band’ eigentlich nicht das richtige Wort ist, denn bis auf das Schlagzeug, das von Drumgott und Workaholic Josh Freese eingespielt wurde und ein paar Cello-Melodien von Devo Keenan, dem Sohn des A Perfect Circle- und Tool-Sängers Maynard James Keenan, hat Billy Howerdel auf dem Debüt “Keep Telling Myself It’s Alright” alles alleine gemacht. Sogar den Gesang.

Wer sich jetzt Sorgen darüber macht, ob die stimmlichen Fähigkeiten des vor seiner eigenen Karriere als Gitarrentechniker bei einigen sehr namhaften Acts (genannt seien hier nur David Bowie, The Smashing Pumpkins, Nine Inch Nails, Guns N’ Roses und Tool) tätigen Mannes dazu ausreichen, denkt grundsätzlich in die richtige Richtung: Es ist gewöhnungsbedürftig, ihn am Mikrophon zu hören, aber das liegt weniger daran, dass er schlecht singen würde (im Gegenteil klingt er sogar erstaunlich gut), sondern an seiner stimmlichen Nähe zu eben jenem Keenan, die dadurch noch zusätzlich betont wird, dass er natürlich auch hier wieder diese extrem eigenwilligen, sphärischen Melodien schreibt. Bei mehr als einem Song stellt man sich vor, wie dieser mit der alten Besetzung klingen hätte können.

Das Album ist viel zahmer als man vermutet. Schon der Opener ‘A Wish’ erinnert eher an die ruhigen Songs eines Trent Reznor als an die doch sehr oft riffbasierten APC-Tracks. Im Verlauf der Platte bekommt der Zuhörer diverse Midtempo- und Downtempo-Tracks serviert, die man nicht wirklich Balladen nennen will: Gespenstisch-depressive Stücke wie das herausragende ‘Stripped Away’ geben akustikgitarrenbasierten Songs wie ‘Forever Can Be’ die Klinke in die Hand, die absurderweise wie die invertierte Version von Stadionrockballaden klingen. Dass er das Rocken grundsätzlich aber nicht verlernt hat, demonstriert Howerdel auch: Die erste Single ‘The Stone’, etwas eingängiger als der Rest der Platte oder der großartige Sechseinhalbminüter ‘Sword’ wecken Erinnerungen an die Zeit von “Thirteenth Step” und gehören zu den Highlights dieses Albums.

Der große Pluspunkt von “Keep Telling Myself It’s Alright” ist in jedem Fall die Gitarrenarbeit. Was der Glatzkopf hier präsentiert, ist mehr als bemerkenswert: Es klingt nicht nur hochmodern, düster und sehr organisch, sondern vor allem weiterhin so originell, wie man es von ihm bereits gewohnt ist. Auf der anderen Seite muss mal aber auch konstatieren, das eben jene Gitarren zu oft zu sehr im Zaum gehalten werden und bei zu vielen der Kompositionen hinter einer doch deutlich bemerkbaren Elektronik, die auf dem Album omnipräsent ist, aber nie den Fluss stört, zurücktreten. Zwei oder drei härtere Songs hätten in jedem Fall mehr als gut getan und die über weite Strecken sehr introvertiere Atmosphäre der Platte, die an “Adore” von den Smashing Pumpkins heranreicht, auf ein erträglicheres Maß zurechtgestutzt.

“Keep Telling Myself It’s Alright” ist trotz einiger deutlicher Schwächen eine spannendes, visionäres Modern Rock-Album mit einer handvoll Ausnahmesongs, das einige Zeit braucht, um seine Wirkung zu enfalten, sich dafür aber dann umso fester in den Gehörwindungen festsetzt.

7 von 10 Punkten.