Traumsequenz (II)

Ich sitz’ irgendwo im Zuschauerraum einer Fernsehsendung, neben mir eine sehr alte Dame mit weißem Haar. Ich albere mit ihr rum, sie hat einen schwarzen Edding und bemalt mich damit, sie malt mir ein Herz auf den Oberschenkel, direkt auf meine Jeans. Ich bin wohl mit dieser alten Dame liiert, obwohl ich selbst jung bin. Sie ist klug, witzig, kindisch, ihre Augen funkeln. Der Moderator der Sendung mahnt uns zur Ruhe. Er scheint irgendwie zu glauben, dass ich Arzt bin. “Ist ja schön zu sehen, dass sie so ein gutes Verhältnis zu ihren Patientinnen haben, Doktor, aber bitte jetzt”, sagt er. “Sie ist nicht meine Patientin”, rufe ich zurück, denn ich habe kein Mikrofon.


NeuRosen (XXII)

Siebenundzwanzig Mal waren wir zusammen im Park. Erinnerst Du Dich? Erinnerst Du Dich an jedes einzelne Mal? Es freut mich, dass Du Dich nicht erinnerst. Dann bin ich nicht alleine. Geh ans Fenster. Erinnerst Du Dich jetzt?


NeuRosen (XXI)

Graue Gespenster tanzen höflich um mich herum, ich kann sie fast anfassen, aber ich will nicht, weil ich sonst wieder Ausschlag bekomme und zu viel trinken muss. Mir reichts eigentlich schon, ihre blöden Kleider rascheln zu hören. Wenigstens tragen sie keine Glöckchen, so wie die Aussätzigen.


NeuRosen (XX)

Du bist komplett abgetaucht, anscheinend, zumindest aus meiner Sicht, aber das sollte ich lieber nicht schreiben, sonst läufst Du mir heute über den Weg, schätze ich. Ich riskiere es mal und weiß auch immer noch nicht, wie ich in dem Fall reagieren würde, ich lege mir keinen Plan dafür zurecht, ich höre dann spontan auf meinen Bauch, der wohl sagen wird: “Dreh Dich um und geh’ festen Schrittes in die entgegengesetzte Richtung. Und lauf nicht, denn das zeigt Angst und wenn Angst gewitttert wird, wird man gebissen”, weil mein Bauch wohl ziemlich viel Scheisse im Kopf hat.


NeuRosen (XIX)

Du bist doch völlig naiv. Wie lange kennst Du den Typen jetzt? Noch nicht mal zwei Monate!? Und da planst Du einfach so, mit dem zusammenzuziehen, ist ja kein Ding, wie? Mann, echt unfassbar, aber, hey, Du wirst schon sehen, was Du davon hast und wenn’s dann so richtig schiefgeht, dann sag bloß nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen, auch Du. Und überhaupt: Wie kommst Du bloß auf die Idee, mich nicht vorher zu fragen, was ich von der Idee halte? Die Antwort wäre natürlich gewesen: Nichts. Gar nichts. Sowas von nichts. Aber Du hättest wohl sowieso nicht auf mich gehört, wie ich Dich kenne. Dir ist echt nicht zu helfen.


NeuRosen (XVIII)

Ein verjagtes Gedächtnisphoto, das seid Ihr, genau das. Es steht hier halt rum, ich guck manchmal hin, wenn die Muse knapp wird. Aber nicht, um das zu ändern, ha, soweit käm’s noch, sondern nur aus Langeweile. Und das war jetzt kein Pluralis Majestatis, sondern richtiger Plural.


Gute Idee.

Ich glaub’, ich brech mein Studium ab und werde Schlangenbeschwörer.


NeuRosen (IX)

Es fielen mir Steine vom Herz beim Telefonat. Und auf Englisch wären es ‘rocks’ gewesen, keine ‘stones’.


Briefing (II)

Liebe dicke Verkäuferin von der Aral-Tankstelle,

Es war ja mal eine zeitlang wirklich praktisch, dass Sie, wann immer ich den Laden betrat, den grünen Lucky Strike-Tabak schon aus dem Regal zogen. Zum Problem wurde es erst, als ich meinen eigenen Zigarettenkonsum (weitestgehend) einstellte, sie aber das alte Verhaltensmuster nicht mehr aus dem Kopf bekamen. Jetzt dauert es meist doppelt so lange, meinen Benzin bei Ihnen zu bezahlen, weil Sie erst den schon gescannten Tabak stornieren müssen. Und wenn ich dann, wie kürzlich, doch mal wieder welchen kaufe, dann sind sie verständlicherweise komplett verwirrt.

Mit der Bitte um weniger präformiertes Handeln,
Ihr Sebastian B.


Briefing (I)

Lieber Christoph Schlingensief,

Da lief ich gestern mit meinem Jörlfriend nochmal raus in die graue kleine Stadt und dachte so bei mir: “Ich ess mir schnell noch Zitroneneis” und dann an den Draußentischen des Rästaurangs vorbei, in dem meine Ex und ich manchmal Griebenschmalzbrot verzehrten und in meinem Brain nur noch kulinarisches, um URplötzlich an einem der großen Helden meiner Postpubertät vorbeizugehen. Ich sag auch noch zu ihr: “Woah, der Typ sieht exakt so aus wie…” und merk noch im Satz, dass es nicht “wie” heisst, sondern dass Sie’s wirklich sind und ging später absichtlich nochmal durch die Tische, um mich zu ver=gewissern, wollt fast schon irgendwas zu Ihnen sagen, aber die Schwänin meinte, das wäre Ihnen bestimmt unangenehm.

Es ist wirklich surreal, wenn man einen von den Menschen, die eine TeilSchuld treffen, dass man in Bayreuth seit vielen Semestern das studiert, was man studiert, plötzlich genau dort trifft, in einer Standardsituation. David Lynch in der Schlange bei Lidl, Klopapier kaufend oder Kurt Cobain mit klaffendem Loch im Gesicht an der Tankstelle rumlungernd wären für mich auch nicht viel spektakulärer.

Dankeschön,

Ihr Sebastian B.


Mimikry (I)

Ich habe da auch so ‘ne Anzeige:

Suche Nachmieter für meine bisherige Wohnung, die ich sehr gern verlasse, um mit Z. irgendwo zusammen zu sein. Die Wohnung liegt völlig beknackt im Industriegebiet (wurde von meiner Ex-Freundin für mich ausgesucht) in einem kleineren Wohnkomplex und verfügt über eine kleine Küche (inkl. Schränke, Kühlschrank und Herd), ein Badezimmer ohne Badwanne, einen Flur und ein großes Zimmer. Bushaltestelle zur Uni liegt drei Straßen weiter vor der JVA. Die Wohnung hat Teppichboden und einige Fenster, ist also ziemlich hell, auch wenn der Teppichboden nichts mit der Helligkeit zu tun hat. Von den Nachbarn (hauptsächlich irgendwelche Asoziale) hört man manchmal dümmliche Technomusik, muss also auch die Musik laut aufdrehen. Bei Interesse ruft einfach meine Managerin an oder mailt ihr.


NeuRosen (XV)

Kindhaft-optimistische Naivität war schon immer mein größter Fehler. Und meine wichtigste Stärke. Direkt vor unheilbarer Schizophrenie im umgangssprachlichen Sinne. Ebenfalls in die Neurosen-Top 5 kommen noch die ziemlich tiefsitzenden Verlustängste, die mich wohl als im Kern konservativen Menschen outen, was wiederum etwas ist, das ich mit aller Vehemenz bestreiten würde (siehe auch Platz 2).


Notizzettel für Geschenke, die ich schon bekam, gerne bekommen würde, verschenkt habe und verschenken will (II)

- Plüsch-Handschellen
- Ein Totenschädel von einem Marder
- Holzklotz
- getragener Slip vom ersten Date
- Jonglierbälle
- Schlafmaske
- “The Man Who” von Travis
- Lomo-Kamera
- Ein alter VW-Käfer
- 80cm großes Marsupilami-Stofftier