Instant Poetry (CLXXVIII)
Zwischenzeit und Tatendrang,
Scham und Kuss und fortbewaffnet
bis in alle Endlichkeit.
Zwischenzeit und Tatendrang,
Scham und Kuss und fortbewaffnet
bis in alle Endlichkeit.
Model: Christina
In Momenten plötzlicher, überwältigender Schönheit schnürt mein limbisches System in Sekundenschnelle ein unfassbar komplexes, sich selbst widersprechendes Bündel an Emotionen und wirft es mir einfach zu. Ich stehe dann da und weiß nicht, ob ich es unbedingt fangen oder so weit wie möglich von mir wegschlagen will.
Internet mit seinen Bewertungsfunktionen ist so eine Art Panoptismus für das Schreiben. Grauenhaft, eigentlich. / Zugzwang, immerzu. / Äußerlich altern, innen immer kindlicher werden. Wir treffen uns wieder beim infantilen Greis! / Der Grund meiner Ausmusterung: Schlimmer Schreibfehler. / „Wie fühlst Du Dich an?“ – „Ist Dir klar, dass Du gerade die schlechteste Frage der Welt mit zwei Buchstaben in die beste verwandelt hast?“ / „Hybris“ meinte: Befehle der Götter ignorieren. Ein paar tausend Jahre später gilt man schon als „arrogant“, wenn man dumme Leute ignoriert. / Schüttle mir auf dem Phrasenkarussell Asse aus dem Ärmel wie anno dazumal, als ich noch nicht zum alten Eisen zählte. / Dickes Ende vs. Fettes Finale. / Die flachsten Filme erkennt man meistens daran, dass sie in 3D sind. / Immer positiv denken: Noch rund 18.000 Mal schlafen, dann ist der Quatsch auch vorbei.
Leistungsträger, Erfolgsdruck, selbstgehäkelt, hier guck mein tolles Projekt, ich mach so viel, dass ich es kaum mehr schaffe. Findet ihr das nicht alle super, was ich alles mache? Lest ihr auch brav mit und klickt fleißig auf meine Buttons und followed und liked meine Projekte? Seid ihr nicht auch so froh, dass die Welt nie stillsteht, dass immer das nächste Projekt kommt und man nie weiß, was eigentlich wichtig ist, weil, die ganzen Sachen muss man ja erst mal machen, Reflektion kommt später? Ich schreib jetzt auch Bücher und halte Vorträge, ja, das tue ich, wen interessiert da schon noch, was ich eigentlich sage, wenn ich im Radio rede? Die alten Medien. Eigentlich mache ich mich über sie lustig, aber wenn sie anrufen, dann stehe ich auf der Matte und twitter euch das mit fünfhundert Tweets pro Minute ins Gesicht, wie toll es ist, in einem Fernsehstudio zu sitzen, denn eigentlich geht‘s hier doch darum, dass wir Macht haben. Und wenn ihr lest, dass ich Macht habe und in einer drittklassigen Talkshow auftrete, dann glaubt ihr, dass ich wichtig bin und klickt noch mehr auf meine Buttons. Und je mehr von euch auf meine Buttons klicken, desto mehr rufen die Sender bei mir an, versteht ihr den Kreislauf? Inhalte sind dabei nicht wichtig. Ich habe viel Macht. Ich dirigiere die Massen und wenn ich mein Mittagessen twitpice, dann klicken das vierhundert Leute an. 10% meiner Follower, ich meine, das ist schon was, vierhundert Leute, die ich gar nicht kenne, die sich für mein Mittagessen interessieren, das fühlt sich einfach gut an. Hier, guck mein neues Projekt, wir haben schon zweihundert Fans auf Facebook, der geschäftliche Erfolg kommt bei so viel Social Power wie von selbst, und wenn er nicht kommt, dann lassen wir es wenigstens so aussehen, als wäre er schon da, das zieht Kunden und Investoren, sozusagen Self-Fulfilling-Business. Am Ende ist es in jedem Fall ein Erfolg und wenn die Leute anfangen, zu bemerken, dass es doch nur Quatsch ist, dann sind wir längst beim nächsten Projekt und das Ding ist sowas von Zweitausendzehn, das will doch heute keiner mehr sehen, da habt ihr die Entwicklung verschlafen, ist ja auch klar, denn als wir absprangen, war es zum Untergang verurteilt, uns kann man nicht einfach mit irgendwem ersetzen, wir sind die Netzexperten. Ist doch egal, ob ein Kern da ist, Hauptsache, die Hülle glänzt, oder? Nächste Woche startet schon das nächste große Ding von uns, macht euch bereit, wir werden euer Leben total verändern, glaubt mir.
Querverhexte Lyriktage:
Gespenster sitzen nähend bei Gewändern.
Fabel Dich in meine Welt.
Model: Z.
Leute, die völlig kopflos handeln, haben den Vorteil, dass sie selten Bretter vor dem Hirn haben. / Ein nackter Mann hat mein Leben in der Tasche. / Poweruser der geistigen Landebahn (tiefflugüberfordert). / Ich kann genau nachempfinden, wie sich empathische Menschen fühlen müssen. / Einfach mal melodramatisch „Geh nicht.“ zu der attraktiven Frau sagen, die an der Supermarktkasse vor Dir gerade ihre Tüten gepackt hat. / DJ Wolverine, Master of Scratching. / Ich habe mich verschrieben. Die halbe Nacht lang. / Schweigegelübde in der Labertasche (farblich passend zum Mundwerk). / Tabuthema Inventur beim Geheimniskrämer. / Guck, da drüben sind die Dorfdeppen vom Global Village. / Die Eine von Vielen. / Eines der wichtigsten Dinge im Leben ist, dass man sich nicht dümmer stellt, als man ist, um Anderen zu gefallen. Das zieht die Falschen an.
„Erzähl mir etwas über das Verhältnis zu Deinem Vater“ ist wahrscheinlich der beste Spruch der Welt, um Frauen rumzukriegen, aber man muss ein ziemliches Arschloch sein, um ihn zu benutzen. Frank denkt darüber nach, was passiert ist und zündet sich zum ersten Mal seit Jahren eine selbstgedrehte Zigarette an. Dieser süßliche Geruch von Tabak, silberne Rauchfäden, die in Richtung Zimmerdecke tänzeln und sich auf dem Weg dorthin in der Nichtsexistenz verlieren. Einzeln betrachtet sind Zigaretten wundervoll, im Rudel werden sie etwas abgrundtief Grauenhaftes, eigentlich genau wie Menschen, denke ich. Ich sollte jede Hoffnung aufgeben und mir eine Katze kaufen, das wäre es. Ein Stückchen Glut von der Zigarettenspitze fällt auf den Oberschenkel von Frank, verschmort dort ein paar Haare und tut ein etwa eine Sekunde lang höllisch weh, Frank wischt die Glut nicht weg, etwas körperlicher Schmerz tut zur Abwechslung ganz gut. Ich weiß, dass Du nicht weißt, was Du willst und will, dass Du weißt, dass Du eigentlich nichts von all dem willst. Männer kaufen sich wohl eher Hunde, oder rede ich mir das ein, weil ich gerne Außenseiter bin? „Ich sag es mal so: Einer Frau, die keine Probleme mit ihrem Vater hat, würde ich keine fünf Meter über den Weg trauen, mit der stimmt irgendwas Grundsätzliches nicht“, sagt Frank, fast so, als könnte er meine Gedanken lesen, wirft den noch glimmenden Zigarettenstummel mit einer verächtlichen Geste aus dem Fenster, geht dann in die Küche und setzt Wasser auf, vermutlich für Tee, ich sitze hier auf dieser beschissenen Ikea-Couch herum, die ich mir einreden habe lassen, gucke wie eine Eule durch die beschissen dicken Gläser von dieser Brille, die ich mir auch durch den Kauf eines neueren Modells nicht habe ausreden lassen und habe wieder einmal Angst vor dem, was als nächstes mit Dir und mir passiert und davor, dass ich demnächst womöglich nicht mehr diesen Schritt zurück treten und sehen kann, dass Du Dir selbst nicht gut tust, dass es mich irgendwann bald so trifft, dass ich verlerne, Dich zu lieben. Das wäre ein echtes Problem, nicht diese Scheingefechte um die Tatsache, mit wem Du heute oder morgen ins Bett gehst. Wenn das, was eigentlich bleibt, anfängt, zu gehen, das meine ich. In der Küche lacht Frank plötzlich über irgendetwas und steckt mich damit an.