Nanoskop (XII)

„Du hast Content, ich hab Worte.“ / (Neid auf diejenigen, die völlig unreflektiert Dinge tun und dabei ein Idiotenglück haben.) / Leute, die es mir zu einfach machen, haben bei mir kein leichtes Spiel. /„Du bist der Elephant in meinem Porzellangemüt.“ / „Ich will kein Best Of von Dir, ich interessiere mich mehr für die B-Seiten.“ / Ich, Du, er, sie, es. Die Story hat Potential. / „…aber die Illusion war ganz reizend, Liebste!“ – „Bitte gehen Sie weiter.“ / To Do: Unsere Namen mit meinen Taten in Deine Hirnrinde ritzen. / „Hast Du auch gehört, was ich gerade gesehen habe?“ – „Es riecht jedenfalls stark nach Ärger.“ (Synästhetiker unter sich.) / Selbstbildnis als per Dada-Generator benannte Datei ohne Endung. / Du liebst nicht, Du willst besitzen. / V̶o̶r̶s̶i̶c̶h̶t̶,̶ ̶f̶r̶i̶s̶c̶h̶ ̶d̶u̶r̶c̶h̶g̶e̶s̶t̶r̶i̶c̶h̶e̶n̶!̶ / „Warum mache ich alles falsch?“ – „Mit der Einstellung beeindruckst Du niemanden.“ – „Warum mache ich alles richtig und es funktioniert nicht?“


Rolle, jetzt!

Man kann entweder so tun, als wüsste man, wer man ist („Hallo, ich bin der Dirk und ich bin Medienjournalist / Blogger / Ohrenarzt / Anwalt / Vater von zwei Kindern / Briefmarkensammler / Bademeister / Student / studierter Philosoph / Bäcker / der Freund von… / Regisseur / Polizist / Pornodarsteller / Autor“) oder man fliesst einfach so durch verschiedene Rollen, die sich je nach Kontext ergeben und permanent ändern. Will man erfolgreich sein mit dem, was man tut, dann ist der zweite Weg in keinem Fall zu empfehlen. Erfolg fordert die totale Verschmelzung mit der sozialen Rolle bis hin zur Selbstverleugnung und das kriegen fast nur stupide Arschlöcher hin, die in Sachen Phantasie eher Autisten sind und das wirklich so durchziehen können, die sich ‘total committed’ haben oder halt Leute, die echt gute Schauspieler sind und es aussehen lassen können, als wäre diese eine Rolle wirklich das einzige große Ding, das ihnen am Herzen liegt, obwohl das natürlich Bullshit ist. Traurig ist, dass die, die es nicht hinkriegen, diesen Fokus zu vermitteln, sich dann wegen des daraus resultierenden mangelnden Erfolges oft so hängen lassen, dass sie sich irgendwann gar nicht mehr richtig um ihren Kram bemühen, weil er ja scheinbar sowieso egal ist, es guckt ja keiner mehr zu, und am Ende wirken dann tatsächlich diejenigen wie die Loser, die eigentlich die ganze Zeit viel ehrlicher bei der jeweiligen Nummer dabei waren. Verdammt.


Irrlichter & Schönheit (IX)

Ein Tweet.Ein Bild.Ein Stück.Ein Buch.Ein Lichtspielfilm.


Drang.

Waben, Sterne, Heimlichkeiten,
Netz missglückter Küsse.

Links neben Dir geht das Entzücken.


Something About Me (2011)

something - raventhird.de


Gleichung.

„Ich fühle mich wie etwas, das von einem Lastwagen gefallen ist“, sagt sie. „Ich habe die dunkle Ahnung, dass es noch andere gibt, die sind wie ich, andere, bei denen ich mich zu Hause fühlen würde, aber die sind nicht hier. Ich liege hier rum, an einem Ort, an den ich nicht gehöre, ganz alleine. Und ich bin aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage, hier wegzukommen. Es ist nicht einmal möglich, dass mich jemand aufhebt und mich dorthin bringt, wo ich hin soll, denn niemand weiß, wo mein Bestimmungsort eigentlich ist. Der Lastwagen ist schon längst wieder beladen worden, mit anderen Gegenständen, und auf der Reise an ein völlig anderes Ziel.“

„Nette Metapher“, sagt er, „aber dieses Gefühl ist so verflucht typisch, dass man schon wieder ein ‘arche-’ davorklemmen könnte. Das Drama des Invidualismus, das Gefühl der Verlorenheit und Einsamkeit. Diese brutale Empfindung, völlig anders zu sein als der Rest der Leute, die man halb verabscheut und halb genießt, bei der gleichzeitigen Ahnung, dass irgendwo da draußen jemand ist, der einem exakt gleichen könnte? Das kann vermutlich so ziemlich jeder von sich behaupten.“

„Ich glaube“, sagt sie, „Du bist auch von einem Lastwagen gefallen. Aber Du redest Dir lieber ein, dass es nicht so ist, damit Du nicht so traurig davon wirst.“


Nanoskop (XI)

Ich bin derart optimistisch und pessimistisch zugleich, dass ich schon erahnen kann, wie das Glas beim Überlaufen umkippt. / Gutes tun: Das betonenswerte Unbetonte laut betonen. / (Ich missbrauche mein Leben eigentlich nur als eine Art Feed, an den ich mein Blog und meinen Twitteraccount anschließen kann.) / „Was machen wir hier?“ – „Was nicht? Das ist die Frage.“ / To Do: Den Rahmen sprengen. / Meine geheime Superkraft ist es, mein Privatleben zugunsten von keiner Karriere zu vernachlässigen. / Gute Musik wird niemals alt. / Postprivacy-Vorreiter: Der Nachbar von gegenüber, der immer fast nackt am Fenster seiner Wohnung steht. / Die Kombination von Ehrlichkeit, Humor und Intelligenz wird heute oft als Zynismus verunglimpft. / Auf Dogmen ins Verderben reitend. / „Wirfst Du mir noch einen Kuss zu?“ – „Das ist eine Fangfrage.“ / Blicke über den Tellerrand. Sehe Besteck.


Being Forgotten (2008)

beingforgotten - raventhird.de


Narzissmus und Kakteen.

Eins.

„Mein Verstand greift gierig nach allem, das er dort findet, meine Finger umklammern alle existierenden Eventualitäten und die Dinge, die sonst noch erreichbar sind. Es ist wenig bis nichts, es passt in eine einzelne Hand, aber man muss sich eingestehen, dass es schön glitzert, das kannst selbst Du sehen. Zumindest hofft das ein Teil von mir, dieser Teil, der sich im Kreis um mich selbst dreht und der dieses Selbst noch immer als ein Wir liest, in dem das Du bereits gar nicht mehr existiert, weil es wie selbstverständlich absorbiert wurde und sich absorbieren hat lassen. Menschen sprechen manchmal mit Pflanzen. Sie murmeln Hauptsätze, in seltenen Fällen sogar mit besonderer Mühe angefertigte parataktische Konstruktionen in ihre Kakteen, während sie Gießkannen in der Hand halten. Ich kann diese Menschen verstehen, ich bin in gewisser Hinsicht noch schlimmer.“ – „Glaubst Du, dass Du verstehst, was Du da sagst?“ – „Ja.“ – „Du bist ein Betrüger. Du liest kein Wir, Du liest ein erweitertes Ich.“

Zwei.

Die Leute gucken mir in die Augen, das ist revierverletzend. In dem vom Regen ganz silbrigen Kreis, den ich um mich gezogen habe, koche ich Erinnerungen auf und versuche weiterhin, Deine Gegenwart und Körperlichkeit zu ignorieren. Ich kann meine Sätze einfach nicht bändigen, ich bin kein Dompteur wie die Anderen und ich schere mich nicht um mich selbst oder die Zukunft. Ziellose Vogelspuren im Schnee und meine neurotische Art. Du bist nicht meine Muse, denn das hier ist keine Kunst. Menschen sprechen manchmal mit Pflanzen. Sie murmeln Hauptsätze, in seltenen Fällen sogar mit besondere Mühe angefertigte parataktische Konstruktionen in ihre Kakteen, während sie Gießkannen in der Hand halten. Ich kann diese Menschen verstehen, ich bin in gewisser Hinsicht noch schlimmer.


Kaskade 3-3

Nichtstun, das ist es. Mein Regenschirm hat sich im heftigen Wind umgestülpt, ein Außenskellett aus Metall brach plötzlich hervor. Du kommst klar, es wird alles super, ich weiß das. Dann kann ich das nicht mehr, dann muss ich was anderes machen. Dann flog er weg, wie eine Fledermaus aus der Hölle. Kannst Du mir sagen, was Liebe meint, Vater? Ich kann das nicht, ich kann nicht einfach nur so Worte hinschreiben. Wenn ich Ferien habe, dann weiß ich nie wirklich, was ich mit mir anfangen soll. Für Dich mag das zutreffen, aber die Wahrheit sieht anders aus! Träum Du von Deiner inneren Mongolei, sie reist jetzt in die Wirklichkeit. Literarische Figuren machen einfach, was sie wollen, sogar die, die man selbst erfindet, das fasziniert mich an denen. Schufauskunft Karma-Konto: Arschloch. Was mach ich denn, wenn die Leute anfangen sollten, das zu mögen? Was mache ich dann eigentlich? Die Sonne scheint rein, mein Rolladen ist kaputt. Du siehst aus, als hättest Du ein Gespenst photographiert, Junge. Magischer Realismus, das ist doch alles so scheißsubjektiv, wenn man ein bisschen Phantasie hat, dann ist der Begriff nur noch was für die Pragmatiker. Ich stehe immer noch im Regen und tue einfach nichts dagegen. Und das ist nur subjektiv betrachtet die beste Idee, ich sehe es ein. Vierhundert Meter weiter landet der Regenschirm auf dem Asphalt, zuckt noch zweimal mit seinen Metallgelenken und bleibt dann regungslos liegen. Der Entschluss, neben Dir zu gehen, steht.


Travel (2010)

travel - raventhird.de


Nanoskop (X)

Ich beneide heimlich die Ähnlichkeit zwischen den Menschen, die sie immer zu Komplizen und Schlimmerem werden lässt. / Beliebtes Reimschema in der Protestlyrik des 21. Jahrhunderts: A-C-A-B-A-C-A-B. / Ich sehe was, was Du nicht siehst, obwohl ich vom ersten Moment an blind davon war. / Ich ganz Ohrläppchen, Du ganz Zähne. / „Es wurden Fehler gemacht.“ – „Ok, was genau hast Du dieses Mal verbockt?“ / Schneemann aus Wurst. / (Alltagstipp: Lieblos verfasste SMS einfach mit zufälligen Buchstabenketten beantworten.) / Lass mich Dein Lorem Ipsum sein, niedliches Hohlköpfchen. / Habe versucht, Kinderarbeit in Asien zu bekämpfen und alles, was ich dafür bekommen habe, war dieses lausige T-Shirt. / Talente süßsauer. / Diesen „Nur für Schuhglas“-Container haben die doch nur aufgestellt, um mir einzureden, dass ich meine Märchenillusionen wegwerfen soll. / Flimmertierchen, augenblicklich.


Merksätze.

Je mehr Optionen der Mensch hat, desto bescheuerter wird er. Desto unmenschlicher handelt er, desto mehr verliert er den Blick auf die Dinge und anderen Menschen, die wirklich wichtig sind, desto mehr verliert er sich in leeren Handlungen und verirrt sich auf völlig bedeutungslosen Wegen, die er irgendwann zurück gehen muss, nur um wieder an den Startpunkt zu gelangen. Deswegen beschneide ich ab heute meine eigenen Optionen.

Zuerst beschneide ich die Zahl der Menschen, die in meinem Leben eine Rolle spielen, die Menschen, mit denen ich überhalb einer emotionslosen, professionellen Ebene kommuniziere. Ich lege außerdem Hürden fest, die von in der Zukunft auftauchenden Menschen zu nehmen sind, bevor sie in mein Leben treten können. Es werden sehr hohe Hürden, und es wird dauern, bis sich auch nur ein Mensch findet, der in der Lage und auch noch Willens ist, sie zu nehmen, aber diese Hürden werden ein für alle mal sicherstellen, dass nicht mehr jeder dahergelaufene Trottel in meinem naiven Gemüth eine Verwüstung anrichten kann, deren Behebung mich Monate oder gar Jahre meines Lebens kostet, wie es in der Vergangenheit viel zu oft geschehen ist (oder zumindest, dass es nur diejenigen Trottel können, die ich selbst dazu eingeladen habe). Anschließend beschneide ich die Art der Tätigkeiten, die ich ausführe. Ich lege jene Tätigkeiten, die ich ganz offensichtlich nicht ausführe, weil ich sie selbst gewählt habe, sondern nur deswegen, weil man „das so macht“, zu den Akten und behalte nur die Art von regelmäßigen Handlungen, die mir tatsächlich am Herzen liegen.

Ich lege ferner exakt fest, welche Ziele ich mit dem, was ich weiterhin tue, erreichen will und auf welchen Wegen ich diese Ziele erreichen kann. Wenn ich für einen bestimmten Bereich kein exaktes Ziel definieren kann, dann erfinde ich ein möglichst unerreichbares Ziel, mit dem ich Jahre zu tun haben werde. Ich beobachte in Zukunft genau, wie ich handle, und ich werde den Handlungsprozess so optimieren, dass er im Laufe der Zeit immer perfekter wird. Ich evaluiere, was ich mit den mir bereits zur Verfügung stehenden Mitteln schaffen kann und an welchen Stellen ich zusätzliche Fähigkeiten erwerben muss, und dann erwerbe ich diese Fähigkeiten. Ich bleibe nicht mehr stehen und ich gehe ohne Rücksicht auf meine eigenen emotionalen Befindlichkeiten oder auf Menschen, deren beschränkte Wahrnehmung mich hemmen könnte, auf meine Ziele zu. Und ich gehe so lange, bis ich sie erreicht habe. Es ist der einzige Weg.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Text eine Verwandlung in einen rücksichtslosen Pragmatiker oder in einen ganz normalen Menschen beschreibt. Oder beides.