Instant Poetry (CLXXII)

Zwischen Konsonantenwetter und Vokalverlust:
Ich steh direkt an Deinem Wurzelrand
und seh doch nirgends den Baum.


Revision.

Ich hatte eigentlich vor, Ihnen an dieser Stelle zu erzählen, dass ich vergessen habe, wann die Geschichte spielt, die niederzuschreiben ich gerade im Begriff bin. Ich hatte vor, den Inhalt damit etwas märchenhafter zu gestalten, das Ungeheuerliche, das zweifelsohne in ihr wohnt, ein Stück weit zu bannen und ihren inhaltlichen Kern über dieses für jedermann ausgesprochen leicht als literarisch zu erkennende Genre in die Fiktion abzuschieben. Es gelang mir nicht. Es ist nämlich leider so, dass ich noch nie sonderlich gut lügen konnte (alle meine Versuche in dieser Hinsicht wurden von den Belogenen immer schnell enttarnt), und so klang auch die Einleitung der Geschichte nach dem Verfassen derart konstruiert, dass Sie (Ihren messerscharfen Verstand setze ich voraus, ich kenne doch die Menschen, die mir hier zulesen) schon nach wenigen Sätzen gesagt hätten: “Moment mal! Irgendetwas stimmt doch hier nicht!”

Dann hätten Sie vielleicht mit der Faust auf den Tisch geschlagen, ihrem imaginierten Mir eine Drohgeste über den Rand der Seiten hinweg gezeigt oder noch schlimmer: das Manuskript direkt zusammengeknüllt und in den Papierkorb geworfen. Derartige Reaktionen wollte ich auf das Dringlichste vermeiden, denn in diesem Fall hätten Sie nie erfahren, was ich Ihnen zu berichten habe. Ich schreibe diese Einleitung stattdessen also gänzlich wahrheitsgemäß und ich bin froh, dass ich Ihnen im Zuge der Neufassung auch das Geständnis von meiner geplanten Lüge machen kann, denn es sagt doch einiges aus über das Verhältnis von einem Menschen, der schreibt zu dem, der den Text anschließend liest, wenn man ehrlich zueinander sein kann. Natürlich ist mir klar, dass das auch Gefahren birgt: Gerade die Ehrlichkeit, mit der ich davon berichtet habe, wie ich Sie täuschen wollte, was den Zeitpunkt der Handlung der Geschichte angeht, die zu erzählen ich vorhabe, könnte in der Konsequenz natürlich zu dem gegenteiligen Effekt führen, dass Sie mir gänzlich misstrauen. Dieses Risiko gehe ich ganz bewusst ein.

Wenn Sie genau zugelesen haben, dann werden Sie bemerkt haben, dass ich davon sprach, dass die erste Einleitung bereits geschrieben wurde. Selbiges trifft zu, allerdings habe ich besagtes Dokument direkt nach der zweiten Korrekturlesung vernichtet, so dass es nicht mehr zugänglich ist. Ich will nichts vertuschen, ganz im Gegenteil bin ich, wie Sie aus diesen offenen Zeilen sicherlich entnehmen, um radikale Aufklärung der Situation bemüht, von daher vertrete ich auch die klare Position, dass Sie diese Informationen benötigen, um mich und das Folgende gänzlich verstehen zu können. Bestimmt werden Sie jetzt laut auflachen und sagen: “Jaja, vernichtet, ha, aber in seinem Kopf hat er die falschen Angaben noch!” und Sie haben jedes Recht dazu, das zu denken, denn es ist ja die Wahrheit: Ich erinnere mich genau an jene Sätze. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass sie meinen Geist nicht wieder verlassen werden, denn ich will die Sache ja nicht noch zusätzlich verkomplizieren, indem plötzlich zwei Versionen kursieren, die sich gegenseitig negieren, schließlich berief sich auch die erste Fassung darauf, dass gegenteilige Behauptungen falsch wären, was alles nicht unbedingt leichter macht, vor allem, wenn man bedenkt, dass dort sogar ganz ausdrücklich geschrieben stand, dass nur diese Zeilen und keinerlei folgende Niederschriften desselben Sachverhalts als einzige der Wahrheit entsprächen, völlig egal, was der Autor in Zukunft behaupte.


Noesis: D (2010)

noesisd - raventhird.de

“oder gleich lief mein Schritt wie uns lautlos”


Noesis: e (2010)

noesise - raventhird.de

“lauter Trommeln: Lechzend auf eine Form”


Form & Funktion.

Tu irgendwas. Wir verlieren. Tu endlich das, wofür wir Dich haben. Ich kann es nicht mehr aufhalten. Doch, ich kann, aber ich will es nicht mehr aufhalten. Ich habe es zu lange aufgehalten, als dass ich jetzt noch weiter könnte, denn ich verliere den Verstand dabei, das noch weiter zu tun. Ein Griff ins Klo und ich bin wieder am Anfang. Wie kann das passieren? Wo bist Du? Du bist irgendwo da draußen und rennst herum wie ein offenes Rasiermesser. Und Menschen schneiden sich an Dir. Der Mann mit dem Bart hat Recht.

Irgendetwas dreht sich um sich selbst. Dann beginnt es damit, sich selbst zu aufzufressen, es ist ein Bild wie aus einem dieser surrealen Filme, wie sie von Computernerds mit virtuellen Kameras in hochentwickelten Programmen gedreht werden, die etwas von Design verstehen und Kunst mögen, aber keine Ahnung vom Leben haben, weil sie ihre Rechner und die dunklen Kammern nie verlassen. Wie es an sich nagt, wie eine Raupe, die an einem Blatt nagt:  Eine amorphe Form in erdigen Pastellfarben, die sich selbst verspeist.

Tu irgendwas. Wir gewinnen. Tu endlich das, wofür wie Dich haben. Ich kann es nicht mehr lange behalten. Doch, ich kann, aber ich will es nicht mehr behalten. Ich habe es zu lange behalten, als dass ich jetzt noch weiter könnte, denn ich verliere mein Herz dabei, das noch weiter zu tun. Ein Schritt ins Luftschloss und ich bin wieder am Ende. Wie kann das passieren? Wo bist Du? Du bist irgendwo da draußen und rennst herum wie ein Wattebausch. Und Menschen prallen einfach an Dir ab. Der gut rasierte Mann hat Recht.


Instant Poetry (CLXXI)

Eine Hand in Deiner Hand:
Zwischen Regentropfen tanzen Schlummerkreise,
zwischen Sonnenblumenfeldern jagen sich das Jetzt und der Verlust.


Nano (V)

Morgen: Wunschkonzert auf dem Ponyhof (mit Zuckerschlecken!), danach noch ein bisschen ziellos rumgeistern.


Reborn (2010)

reborn-raventhird.de

Model: Silke
Hair & Make-Up: Swan


In eigener Sache: Die Irrlichterkette

Die dringende Notwendigkeit eines (inhaltlichen und konzeptuellen) Neustarts von Die Irrlichterkette ist inzwischen durch die sehr stark gefallene Frequenz der hiesigen Postings nicht nur von außen ziemlich eindeutig zu erkennen, sondern auch für mich selbst nicht mehr wegzudiskutieren. Natürlich könnten die Idee der Slow Media und die Überzeugung, sich nicht von der Geschwindigkeit anderer im Netz aktiver Menschen den eigenen Rhythmus diktieren lassen zu wollen, gute Erklärungen für die Tatsache sein, dass man so wenig in sein Blog postet, wenn man allerdings an anderer Stelle (vorwiegend denke ich dabei an meine Facebook-Präsenz und meine Twitter-Accounts) durchaus in hohem Maße aktiv ist, dann stellt sich irgendwann zwingend die Frage, ob sich die Interessen nicht schlicht in Richtung Microblogging verschoben haben und wie man, sollte die Antwort darauf ein “Ja” sein, mit dieser Tatsache umgeht.

Ich habe keine eindeutige Antworten auf diese Fragen, meine vorläufige Idee ist es aber, dieses Blog im Laufe der nächsten Wochen wieder zu dem werden zu lassen, was es ursprünglich war: Ein Sammel- und Knotenpunkt meiner Aktivitäten, komplett entrückt, quietschbunt und ohne jegliche inhaltliche Zwänge. Mir ist klar, dass das zu doppeltem Content führen kann und wird, aber ich gehe nicht davon aus, dass der hiesige Besucher zwangsläufig meinem Zweitaccount auf Twitter folgt, mein Posterous oder mein gerade reaktiviertes Mobiltelephon-Photoblog wahrnimmt, so daneben liegt meine Selbsteinschätzung glücklicherweise (noch) nicht, auch wenn ich schon ein paar Jahre Blogger bin (kleiner Scherz auf Kosten der in den letzten Wochen in verschiedene Ereignisse involvierten Personen, die die in dieser Tätigkeitsgruppe zu verortenden Menschen nicht gerade gut aussehen haben lassen).

Was ich eigentlich sagen will: Hier passiert nicht so wenig, weil ich keine Inhalte oder Ideen mehr habe, sondern weil ich selbige in hohem Maße anderswo im Netz verstreue. Aber ich hole den Kram jetzt wieder hierher, auch wenn es vielleicht in der ersten Zeit auf Kosten der Kohärenz der Postings dieses Blogs geht, und ich hoffe sehr, dass Du, lieber Zuleser, mir auch weiterhin verbunden bleibst.

PS: Der Blocksatz bleibt und Flattr- oder Facebook-Buttons wird es hier nicht geben. Aus Gründen.


Irrlichter & Schönheit (III)

Ein Tweet.Ein Bild.Ein Stück.Ein Buch.Ein Lichtspielfilm.


Nano (IV)

Früher dachte ich, dass wir später heiraten. Doch dann schlug der jugendliche Irrsinn bei mir kreative Wurzeln, bei Dir in Schlimmeres um.


Kausal.

„Nimm das Ding aus dem Mund“, sagte er. „Ratten rauchen keine Zigaretten.“

„Du willst Dir zwanghaft ein Stück von Deiner Realität bewahren, was?“, sagte ich. Ich zog an dem Glimmstängel und blies ihm den Rauch direkt ins Gesicht. Er wich einen Schritt zurück, drehte sich dann um und kotzte auf seine ledernen Cowboystiefel.

„Sorry, ich hab wohl was Falsches gegessen. Wusste nicht, dass Du so ein feines Näschen hast.“

Er wischte sich mit dem Handrücken zuerst einen Rest Kotze vom Mund, dann einige Schweißperlen von der Stirn. Ein undefinierbares Stückchen von dem, das er eben in der falschen Richtung wieder aus seinem Körper befördert hatte, blieb dabei in seinem Haar kleben.

„Was willst Du von mir?“

„Wie kommst Du auf die Idee, dass ich irgendwas von Dir will?“, fragte ich. „Wir sind hier nicht in irgendeiner Geschichte, deren Plot unweigerlich auf ein bestimmtes Ereignis hinausläuft. Du bist hier reingekommen, weil Du ein viel zu neugieriger Bastard bist, und ich sitze einfach hier rum und rauche. Pattsituation, wenn Du es so nennen willst. Du kannst mir glauben, dass mich Deine plötzliche Anwesenheit genau so schockiert wie Dich meine Erscheinung.“

„Ich rede mit einer kettenrauchenden Ratte in menschlicher Größe, die in einem verfickten Schaukelstuhl sitzt“, sagte er und lachte heiser, „und bekomme erzählt, dass ich genau so schockierend bin.“

„Guck mal öfter in den Spiegel“, sagte ich und kicherte fiepend. Ich nahm einen weiteren Zug von der Zigarette, drückte sie dann auf einer weißen Stelle auf meinem Bauch aus (was mit einem Zischen einen leicht süßlichen Geruch von verschmorten Haaren und Fleisch in den kleinen Raum entließ) und sprang Mr. Cowboystiefel mit einem Satz, den er schon aufgrund der schieren Geschwindigkeit meiner Bewegung nicht kommen sehen konnte, an, krallte mich an seinem Pullover fest und nagte blitzschnell sein Gesicht weg. Zu meiner Überraschung wehrte er sich nicht einmal, sondern kippte nur nach einiger Zeit, als ihn eine Ohnmacht davon erlöste, dieses Ereignis bewusst miterleben zu müssen, tonlos auf den Rücken.

Natürlich war es darauf hinausgelaufen. Es lief immer darauf hinaus. Was würden Sie denn denken, wenn Sie mir in dem kleinen Zimmer dieses alten Hauses begegnen würden? Diese Geschichten schreiben sich selbst. Einige sehen einen schwarzen Mann in mir, viele irgendein unförmiges, nicht genau fassbares Wesen mit Krallen und Zähnen, manche, die ganz wenig Phantasie haben, irgendwelche Monstren aus ihren Lieblingsfilmen, aber alle glauben ganz instinktiv, dass ich sie am Ende umbringen werde. Und genau das passiert dann auch. Es gibt einfach keinen Optimismus mehr auf dieser Welt.


The Ape Babes III: Telecommunication (2010)

apebabes3-raventhird.de

“KULTUR / Ein Freund erlesen. Dieselbe Antwort geworden,”