NeuRosen (LIII)

Ich laufe hinaus auf die Strasse, laufe durch den Regen. Ich trage keine Jacke und keine Mütze und ich atme tief ein und breite meine Arme aus, als ob ich die ganze Stadt mit einer großen Geste einladen könnte, mit meinem Atem in mich hineinzuströmen und mich mit dem Leben zu erfüllen, das mir abhanden gekommen ist. Bisher habe ich geglaubt, dass ich nur warten müsste, warten, bis irgendetwas passiert, das alles wieder auf die Bahnen lenkt, auf denen ich nicht nur wie eine Maschine Dinge schreibe und tue, die mich persönlich nur in der einen Hinsicht betreffen, dass ich sie interessant oder uninteressant finde. Aber jetzt weiß ich, dass das Warten nicht der richtige Weg ist. Das Warten sorgt nur dafür, dass man sich in eben jenen völlig unpersönlichen Dingen verliert, sie am Ende vielleicht sogar irrtümlicherweise für in irgendeiner Form bedeutend hält. Ich muss handeln. Ich muss wieder Dinge tun, die mich betreffen, die mich berühren und die mich bewegen. Und ich muss sie persönlich tun, nicht nur geistig oder virtuell. Morgen ist wieder ein Tag.


In eigener Sache: Über den Blog-Umzug

So, eines muss ich noch loswerden, bevor wieder die Kunst allein sprechen wird: Der Umzug des alten Blogs hier rüber zu Die Irrlichterkette, den ich in den letzten Tagen exzessiv vorantreibe, wird wohl noch ein paar Wochen dauern. Ich hatte seit Anfang 2007 über 1000 Beiträge gebloggt, in machen Monaten bis zu 80 Posts und selbige müssen allesamt per Hand hier wieder eingetragen werden, und vor allem, und das ist das wirklich aufwendige an der Sache, hier wieder mit exaktem Datum, Tags und Uhrzeit versehen werden. Das dauert. Blogspot und WordPress sind leider nicht kompatibel, es gibt keine Automatismen für einen solchen Fall. Aber es wird schon, ich will eigentlich nichts zurücklassen. Resignieren gilt nicht.

/edit 23.01 23.07h: Ich habe dank dem Leser Michael einen Weg gefunden, die Posts zumindest inhaltlich und datumstechnisch automatisch zu übernehmen. Aber die Bilder müssen trotzdem alle neu hochgeladen und eingepflegt werden, alles neu verschlagwortet (auch wegen meinem tollen neuen random Bilder-Tool rechts oben), die Postings zum Teil neu formatiert. Ich habe schon viereckige Augen, aber ich bin bereits fertig bis Januar 08 :).


Hirnsplitter (I)

Drüben, in der Papierecke:
Zwei leere Notizbücher sprechen über das Vergessen.


NeuRosen (LII)

Fast eine Woche ohne diesen Anker. Ich verkümmere.


Begegnungen (IV)

Am Hauptbahhnhof Hamburg: Wir kaufen eine Fahrkarte für Swans Bruder, der uns über das Wochenende besucht hatte. Eine ältere, recht gepflegt aussehende Frau spricht uns an und fragt, ob wir nach Bremen fahren würden. Sie sucht offenbar nach Leuten, die sich mit ihr ein Wochenendticket teilen. Fast zeitgleich winken Swan und ich ab: “Ne, ne.”

“Unverschämtheit”, sagt daraufhin die Alte, als ob es etwas gänzlich entrüstendes wäre, dass wir ein anderes Ziel als Bremen haben könnten.


NeuRosen (LI)

Wenn sich nicht bald etwas ändert, dann bekomme ich einen Nervenzusammenbruch. Ich arbeite derzeit täglich mehr als 14 Stunden, sitze parallel an zwei Projekten, einem richtigen Job, meiner Kunst und meiner Abschlussarbeit. Dass das Blog hinten ansteht, versteht sich leider, hoffentlich.


Daily Irrsinn (VIII)

Ich habe in letzter Zeit viel gearbeitet und wollte mir etwas gönnen: Ein neuer Blitz für meine Kamera sollte es sein. Und trotz einiger negativer Erfahrungen wollte ich wieder einem kleinen Unternehmen eine Chance geben: Ich bestellte also am Dienstag Abend bei einem Fotohändler aus Wiesbaden, der natürlich nur die unvorteilhaften Zahlungsmethoden „Vorkasse“ oder „Nachnahme“ anbietet, dafür aber auf seiner Webseite damit wirbt, die Ware in der Regel am Tag nach Bestelleingang zu versenden. Leider war es in meinem Fall so, dass ich am Tag nach Bestelleingang lediglich eine automatisch generierte Mail über die Bestellung im Postkasten hatte, die weder Zahlungsinformationen noch sonstige Hinweise auf das weitere Vorgehen zum Erhalt der Bestellung enthielt, sondern lediglich darauf verwies, dass eine zweite, manuell erstellte Bestätigung in Kürze folgen werde. Diese habe ich trotz Rückfrage per Mail heute noch immer nicht erhalten. Eigentlich ist es aber auch egal, denn wenn ich nach zwei Tagen noch nicht einmal weiß, ob und wie meine getätigte Bestellung weiter laufen wird, dann sage ich mit voller Überzeugung: Hallo, Amazon.de.


Metareflexion, yeah! (XXXII)

Wenn man nicht gerade aus einem seltsamen Winkel in den Rückspiegel blickt, dann wird man feststellen, dass man darin ausschließlich sich selbst sieht.


Rückspiegel (XVI)

Erinnerst Du Dich an den Tag, an dem wir in diesen kleinen Ort gefahren sind und dort in einem komischen Restaurant über der Stadt, in dem außer uns nur Rentner waren, Kuchen gegessen haben? Wir waren zu dem Zeitpunkt schon Wochen getrennt, aber diesen einen Tag hatten wir noch zusammen, auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wie er eigentlich zustande kam. Wir fuhren auf einer Sommerrodelbahn (mitten im Winter) in einem gelben Gefährt den Hügel wieder hinunter und ich drückte auf das Gas, als ob es keinen Morgen gegeben hätte. Für mich gab es zu diesem Zeitpunkt wirklich keinen. Als wir anschließend auf dem Weg waren, Klaus einen wirklich merkwürdigen Spontanbesuch abzustatten, der nur den Zweck hatte, den Tag nicht schon zu beenden, sagtest Du im Auto: “Hey, jetzt sind wir genau wie Julia und Nicki”, und ich antwortete: “Nein. Wir werden nie sein wie Julia und Nicki”, und dann weinten wir beide.

Die Frage, ob Du Dich erinnerst, ist eigentlich (fast) keine rhetorische, denn nach Begegnungen wie der heutigen fragte ich mich immer, ob Du an genau dem Tag nach Hause gekommen bist, diesen futuristischen Weinöffner an einer teuflisch genau berechneten Stelle an Deinem Kopf angesetzt und die komplette Erinnerung an mich einfach rausgeholt hast. Immer wenn wir uns danach trafen, benahmst Du Dich nämlich so, als ob wir uns nie gekannt hätten und irgendwann hätte ich fast angefangen, Dir das abzukaufen. Es wäre zutiefst verstörend, wenn man sich tatsächlich so fremd werden könnte, wenn man sich einmal so nah war.


Briefing (XVI)

Dear Laura,

ich habe noch nie eine Arbeit gekündigt. Nein, wirklich: Alle meine Jobs habe ich bisher entweder so lange gemacht, bis die jeweilige Arbeit erledigt war, die Firma pleite ging oder ich aus sonstigen Gründen nicht mehr gebraucht wurde.

Warum erzähle ich Dir das? Nun, ich hatte mich vor ein paar Wochen auf eine Anzeige von Dir gemeldet, in der Du explizit eine “Schreibkraft” suchtest. Ich traf mich ein paar Tage später mit Dir am Bahnhof, traf eine etwas schrullige, aber doch zunächst sympathische alte Dame, die mir von ihrem Leben erzählte und von einem Sonderauftrag, der noch vor der Schreibsache zu erledigen wäre. Ich sollte Dich zu einem Gerichtstermin begleiten. Du wurdest angeblich um viele Tausend Euro betrogen und hattest den Verdacht, dass Dein Anwalt von der Gegenseite geschmiert würde, deswegen sollte ich als Zeuge mitkommen. Ich war zwar ein klein wenig irritiert, kam dann aber doch zu dem Termin. Noch mehr irritierte mich, dass Du dort eine zweite Person, ebenfalls Studentin, hinbestellt hattest, damit die Sache “noch genauer dokumentiert würde” und dass der Prozess eigentlich gar nicht öffentlich war, weshalb nicht nur die Richterin genervt davon war, dass Du uns dorthin hingeschleppt hattest. Darüber, wie Du vor Gericht ausgeflippt bist und Sachen gesagt hast, die gar nichts mit dem Prozess zu tun haben, will ich gar nicht anfangen, es begreift einfach nicht jeder eine juristisch komplizierte Verhandlung, die auch noch mit Insolvenzrecht zu tun hat. Dass Du mich aber anschließend mit zu Dir nahmst, um weitere Tätigkeiten zu erledigen, die im Grunde nur aus Einkaufen und Staubsaugen bestanden, machte mich ein bisschen ärgerlich, denn als Haushälterin hatte ich mich ja nun nicht beworben. In Deiner großzügigen Art gabst Du mir dann am Ende 30 Euro für die 5 Stunden, die ich ohne An- und Abfahrt für Dich unterwegs gewesen war, obwohl wir einen Stundenlohn von 10 Euro vereinbart hatten.

Nun, eigentlich kam ich schon an diesem Tage zu dem Schluss, dass die ganze Sache ein Fehler wäre, aber wie der Mensch so ist, vergaß ich in der Folge die negativen Dinge und ging daher, nach einer Woche, wieder ans Telefon als Du anriefst. Dieses Mal warst Du Dir ganz sicher, dass inzwischen auch die Richterin in die Verschwörung gegen Dich involviert wäre, Du lachtest ziemlich irre, als ich meinte, dass ich mir das nicht vorstellen könne und wolltest mich nicht nur erneut zu dem Prozess schicken, diesesmal gar alleine, sondern hattest außerdem die Idee, dass ich ja Deinen Prozessgegner beobachten oder per Internet ausspionieren könnte, “wie ein Privatdetektiv”. Anschließend könne ich ja noch Deine Wohnung putzen. Du musst verstehen, dass ich weder in die kleine Welt Deiner Wahnvorstellungen hineingezogen werden will noch irgendetwas putzen, und dass es mich außerdem wirklich rasend macht, wenn ich bemerken muss, dass Du bereits eine neue Anzeige aufgegeben hast, in der Du, wer hätte es gedacht, wieder eine “Schreibkraft” suchst, diesesmal aber für 8 Euro pro Stunde (natürlich bezahlst Du in Wahrheit noch weniger), weil Du offenbar schon gemerkt hattest, dass mir manche (alle) der Aufgaben unangenehm sind. Ich frage mich, der wievielte Mensch ich bereits bin, der sich auf diese Anzeige gemeldet hat.

Wie dem auch sei: Ich muss leider zu dem Schluss kommen, dass mich der Job bei Dir psychisch belastet (man weiß leider nie, auf welche verrückten Ideen Du als nächstes kommst), dass er mir in Zuge meiner beruflichen Weiterentwicklung gar nichts bringt (“Einkaufen für eine paranoide alte Frau” passt nicht wirklich in meinen Lebenslauf) und noch nicht einmal finanziell lohnenswert ist. Nimm daher bitte hiermit meine Kündigung zur Kenntnis.

Sebastian

PS: Ich bin mir eigentlich fast sicher, dass Du jetzt zu dem Schluss kommen wirst, auch ich würde auch von der Gegenseite Deines Prozess bezahlt, denn dass ich nicht für Dich für Dich arbeiten will wegen Dir als Person: Das kann ja gar nicht sein. Oder?


Daily Irrsinn (VII)

Gestern wurde ich zum dritten Mal von der Firma angerufen, bei der ich mich vor nicht allzu langer Zeit als “Geschmackstester” beworben hatte, ohne so genau zu wissen, was das eigentlich ist. Zum dritten Mal musste ich etwa zehn Minuten lang absurde bis skurrile, scheinbar völlig zusammenhangslose Fragen beantworten (“Essen Sie Eis gerne im Freien?” “Besitzen Sie Haustiere mit mehr als vier Beinen?” oder “Sind Sie oder einer Ihrer Angehörigen als Pharmazeut tätig?”) und, ja, zum dritten Mal bekam ich am Ende den selben Spruch wie immer zu hören: “Leider passen Sie dieses mal nicht in unsere Zielgruppe. Aber wir rufen Sie demnächst wieder an.”

Langsam komme ich mir ja etwas veralbert vor.


Wort für Wort (XLIV)

“Hey Du, ich ruf an, weil, äh, Du kennst Dich doch mit Computern aus, oder?” – “Kommt auf das Gebiet an, aber grundsätzlich: Ja.” – “Gut. Also das Internet geht nicht.” – “Ich kann Dich beruhigen. Ich sitze grade selbst vor dem Rechner und das Internet funktioniert einwandfrei. Es muss also an Deinem Anschluss liegen.”


Welcome Home

Zweimal haben wir bereits angehalten, dieses Mal muss unser Fahrer tanken. Die Landesgrenze aber nehmen wir vorher noch, wir sind ja schließlich alle froh, mal wieder in der Gegend zu sein. Wir, das ist ein Haufen von vier zufällig zusammengewürfelten Menschen, die in Hamburg leben und arbeiten, aber doch alle irgendwie im Süden der Republik verwurzelt sind und die sich über mitfahrgelegenheit.de gefunden haben, um eben hierher zu kommen. Ein gerade promovierender Inder, ein Soldat, ein Typ, der eine Ausbildung in der Tourismusbranche macht und ich. Wir stehen gerade zwei Minuten an der Raststätte, noch etwas abseits von den Zapfsäulen, rauchend, als neben uns ein weißer Audi hält. “Guten Abend. Zivilstreife. Wir suchen nach Waffen, Sprengstoff, Drogen”, sagt einer der beiden Typen, die eilig aussteigen und mit ihren Ausweisen wedeln. Die Art und Weise, wie er das sagt, erinnert mich an einen Klassenkameraden aus der Grundschule, der Gedichte zwar perfekt auswendig lernen, aber beim Vortrag vor der Klasse nicht richtig intonieren konnte.

“Willkommen in Bayern”, murmelt mir der Jüngste in unserer illustren Reisegruppe zu und trifft die Sache damit so haarscharf auf den Punkt, dass ich kurz laut auflachen muss, was für ersten Unmut bei den Beamten sorgt. Die nächste Stunde verbringen wir damit, dass unser komplettes Gepäck durchwühlt wird, dann ziehen die beiden Herren, scheinbar fast beleidigt darüber, dass wir nichts verwertbares dabei hatten, mürrisch ab.