Kürzlich, in einem Interview mit einer Musikwebseite zu dem Album, um das es hier gehen soll, ließ John Frusciante ganz beiläufig eine Bombe platzen: Auch nach über einem Jahr Pause hätten die Red Hot Chili Peppers momentan keinerlei gemeinsame Zukunftspläne. Der durchschnittliche Musikkonsument schlägt bei dieser Meldung die Hände über dem Kopf zusammen, der Kenner freut sich im Stillen, ist es doch ein offenes Geheimnis, dass die musikalische Qualität von Frusciantes Soloalben schon seit fast zehn Jahren weit, weit über der seiner Hauptband liegt, die, von ein paar Ausnahmen (‘Zephyr Song’) mal abgesehen, nur noch substanzloses, radiokompatibles Gedudel fabriziert.
Frusciantes zehntem Soloalbum „The Empyrean“ gelingt hingegen das Kunststück, sein reifstes und sein experimentellstes Album zugleich zu sein. So lange Songs gab es noch nie, ein solch (in sich, versteht sich) geschlossenes Konzept hatte er noch nie und noch nie gab er sich sich ausführlich tatsächlich psychedelischen (und nicht nur atonalen, wie auf seinen frühen Platten) Passagen hin wie auf „The Empyrean“. Diese Songs sind nicht einfach bei einigen Jam-Sessions aus dem Ärmel gefallen, sie wurden mit viel Mühe ausgearbeitet und arrangiert, das ist vielleicht der am deutlichsten hörbare Unterschied zu den Vorgängeralben. Sie enthalten deutlich mehr Instrumentierung, Flea ist am Bass dabei, irgendwo auch der Ex-Smith Johnny Marr als zusätzlicher Gitarrist, viele elektronische Elemente und, ab der zweiten Hälfte, fügen sich auch noch eine Menge Streicher- und Klavierarrangements zu einen dennoch homogenen Gesamtsound zusammen. Gleichzeitig aber, und das muss man deutlich festhalten, sind hier richtig große Songs enthalten. Diese beiden Pole des Albums, die komplexen Arrangements und die Songfixierung werden gleich zu Beginn abgesteckt, wenn ‘Before The Beginning’, ein neunminütiger Instrumental-Track, und die vergleichsweise eher spärliche Coverversion vom Tim Buckleys ‘Song For The Siren’ das Album eröffnen. Danach folgt ein bunter, trippiger Wald aus purer Melodie, der von dem schon bekannten ‘Unreachable’ über das vielschichtige ‘Central’ bis hin zum besten Song der Platte mit dem bezeichnenden Titel ‘God’ reicht. Stellenweise verheddert sich die illustre Truppe um John Frusciante (dabei sind außer Flea und Marr noch Josh Klinghoffer, die New Dimension Singers und ein paar andere Musiker) zwar auch schon mal ein bisschen in ihren Ambitionen, was vor allem außerhalb des Kontext dieses Albums eher peinlich wirken dürfte (das richtig surreale ‘Dark/Light’ gleitet von einem orchestralen, mit Klavier untermalten Track in ein elektronisches Loop, bei dem John mit Kopfstimme engelsgleich seine Melodien intoniert), und bei manchen Songs würde man doch zu gerne die Version nur mit John an der Gitarre und ohne die Tonnen von Sphärenklängen hören, aus der Innenperspektive sind jedoch keine logischen Fehler zu verorten.
„The Empyrean“ ist insgesamt sicherlich nicht das stärkste John Frusciante-Album geworden (das bleibt weiterhin das spontan-depressiv-großartige „The Will To Death“), der bisher eigentlich immer vor allem dann glänzte, wenn er seine vielen, vielen Ideen möglichst unbearbeitet auf CD bannte, aber man sollte dieses Album, das aufgrund seiner relativ aufwendigen Struktur einige Zeit braucht, um zu wirken, keinesfalls unterschätzen: Wenn sich die Welt von „The Empyrean“ dem Zuhörer erst einmal geöffnet hat, dann wirken die vermeintlich spärlich gesäten Hits des Albums plötzlich nur noch wie die Einstiegstracks in eine faszinierende, andere Seite von John Frusciante, die uns einen Musiker zeigt, der noch verdammt viel mehr Ambitionen zu haben scheint, als einfach nur ein paar eigene Songs aufzunehmen. Am Ende passt der Tim Buckley-Song dann nämlich doch noch perfekt zu diesem Album.
7/10 Punkten.
Side note: Ärgerlich: Lediglich die Japaner bekommen beim Kauf des Albums gleich zwei zusätzliche Tracks: ‘Today’ und ‘Ah Yom’, die nur den Titeln nach wie b-Seiten klingen, sich in Wahrheit aber doch recht gut in den Fluss dieser Platte integrieren. Amazon.com hat den Japan-Import für nicht wirklich kundenfreundliche 35 Dollar im Programm.