Wort für Wort (LIV)

„Trotz der Tatsache, dass ich mich für mindestens halbintelligent halte, schaffe ich es einfach nicht, die Menschen und ihr zum Teil absolut merkwürdiges Verhalten (zum Teil sogar als besonders ‘rational’ von ihnen selbst eingestuft) auch nur im Ansatz zu begreifen und ‘richtig’ darauf zu reagieren. Und diesen fortwährenden Versuch, eine Quelle mindestens eines Teils meiner Unzufriedenheit, gebe ich hiermit auch auf. Es gibt offenbar kein richtiges und falsches Sozialverhalten, sonst wäre es erlernbar und man würde nicht ständig neu daran scheitern. Ich bemühte mich in meinem Verhältnis zu den Menschen bislang um Ehrlichkeit, beiderseitiges Verstehen und Zuneigung, wo und soweit ich konnte, geriet aber gerade dadurch immer wieder in Situationen, in denen ich in zum Teil völlig grotesker Art und Weise vor den Kopf gestoßen wurde. Als letzte Konsequenz kann ich hiermit nur ziehen, nur noch das bloße Ich in alle zwischenmenschlichen Beziehungen einzubringen, alles andere, jede Form des Versuchs, menschliches Verhalten vorherzusagen und/oder sich darauf zu verlassen und sich damit auch darauf einzustellen, ist meines Erachtens nach komplett zum Scheitern verurteilt.“ – „Hm… hey, wollen wir uns ‘ne Pizza bestellen?“


Analogik (Happy Zwanzigzehnentschleunigung)

Einfach mal raus auf das analoge Land: Twitter und @silenttiffy mitten in der Nacht einfach ignorieren, selbst wenn man die Depression um drei Uhr morgens gerade sowas von nachvollziehen könnte und froh wäre, da im magischen Kästchen mit dem Apfelsymbol hinten drauf unter der Bettdecke im Nichtschläferland eine Verbündete zu haben, die sich die Finger und den Geist wund schreibt gegen all den Kram, der so im Innen passiert, den Facebookstream, in dem immer wieder Sascha Lobo bei mir auftaucht, weil ich auch immer wieder darauf reinfalle, seine Postings zu kommentieren, selbst wenn die in Wahrheit doch oft klüger sind, als man es ihm nachsagt, einfach mal ausblenden, sich nicht bei Flickr und Deviantart einloggen, um sich die heuchlerischen, immer gleichen „awesome“-Kommentare von Leuten, die eher Bots als wirkliche Leute sind, durchzulesen, nur um dem eigenen Ego ein kleines Aufmerksamkeitsbonbon zu gönnen, das doch wieder nur zehn Minuten hält. Mal einfach nicht nachgucken, wer wieder grinsend und schlipstragend die selbstgegründeten, coolen Xing-Gruppen beiheimaten will, die man natürlich alle mit Mitgliederschranke versehen hat, damit die grinsenden, anzugtragenden Schlipsmenschen die Hosen in Form eines Mitgliedsantrags runterlassen müssen vor dem komischen Blogger mit dem seltsamen Profilbild, dem sie sonst nur Nichtbeachtung schenken würden, maximal, während sie sich in feierlicher Wichtigkeit mit anderen, noch breiter grinsenden Anzuträgern verknüpfen und Kontakte wie Floskeln austauschen in ihrem komischen Tanz um den Mammon. Mal einfach rausbleiben bei Last.fm und nur Musik hören, die man nicht danach aussucht, was sich gerade cool machen würde in den eigenen Wochencharts, und sich vor in leeres Blatt Papier setzen und schreiben. Wobei Papier ja auch nicht stimmt. Das Weiße, das OpenOffice (rockt übrigens derbe und ist kostenlos und dass man das immer noch sagen muss, zeigt mir die Reaktion meiner Mitbewohnerin, die ganz erstaunt darüber war, dass es soetwas gibt) mir da zeigt ist nichts anderes als die digitale Imitation von etwas, das Papier ähnlich sein soll, in Wahrheit aber nur ein eckiger Kasten aus weißen Pixeln auf einem Screen ist. Hach. Einfach mal wieder bloggen. Die Langsamkeit wiederentdecken und schreiben, was man will und so viel, wie man will, einfach da rein in diese Kiste, die man früher Laptop nannte und heute Notebook schimpft, auf die weißen Pixel, bis die weißen Pixel zu weißen Pixel werden, die von schwarzen Pixelformationen übersät sind, die sich wiederum anordnen, als wären sie Buchstaben. Einfach mal bloggen, aber nicht direkt im Blog, natürlich, wer sowas macht, der ist auch kein Blogger, sondern höchstens ein Spinner, der so tut, als wäre er ein Blogger. Blogger schreiben Artikel. Sie schreiben sie auf (digitalem) Papier und speichern sie in Ordner und dann kopieren sie sie irgendwann, wenn sie drei Mal drüber gelesen haben (und natürlich dabei trotzdem Fehler übersehen haben, denn sie sind ja Blogger und keine Lektoren) und stellen sie in ihr Blog. Und das ist ein verdammter Unterschied dazu, einfach gedankenlos in einem Browser irgendwas irgendwo in ein leeres Feld reinzutippen, oh, Mann. Aber Blogger sind auch eine aussterbende Art. Viele von uns gibt es nicht mehr, und die, die es noch gibt, mit denen habe ich auch so meine Probleme, denn einige, die schreiben viel und sagen nichts und andere, die klauen nur Links zusammen und machen sie hübsch und dann gibt es wieder solche, die haben fast gar keine eigenen Inhalte. Und eigentlich wollte ich unter alle diese Worte passende Links drunterpacken, aber weil ich gerade gut gelaunt bin und weil es, von meinem kleinen digitalen Zuhause kommend, sowieso nicht die nötige Schlagkraft hätte, um für die Alpha-Tierchen mehr als eine kleine Mücke am elefantösen Arsch zu sein, lasse ich es gnädigerweise weg.

Aber einen (oder besser gleich zwei) verlinke ich doch, weil sie vielleicht symptomatisch sind: Ich habe nämlich gerade den Popkulturjunkie aus meiner Blogroll gekickt, der mir eigentlich schon deswegen auf die Nerven geht, weil er alle paar Tage die Fratze der Mainstream-“Alternativkultur“ für wahnsinnige coole Leute, die in Wahrheit in einer Bank arbeiten, am Wochenende aber zum Depeche Mode-Konzert gehen und immer noch glauben, dass das die angesagteste und heißeste Band des Jahres wäre, hypt und doch tatsächlich die langweiligste und konsensorientierteste Best-Of-Liste des Jahres des Jahres veröffentlicht hat, bei der er zusammengerechnet hat, was die meisten Musikmagazine gewählt haben (man will seinen Kopf gegen die Wand schlagen, mit der gleichen Logik könnte man generell die Charts geil finden; es macht mich echt rasend, wie die Inhalte, die dort propagiert werden, so populär sein können, selbst wenn ich im Grunde die meisten dieser Bands und Filme selbst sehr gerne mag und auch in meiner Liste haben werde, wenn ihr versteht was ich meine, dann ist das Problem eher das, dass das Blog  eben nur den „heißen“ Trends hinterherläuft und -plappert statt selbst Themen auf die Agenda zu setzen), aber auch deswegen, weil der Typ dahinter seit Monaten meine Facebookfreundanfrage lakonisch ignoriert (jaja, ich bin ganz klar eine richtig eitle Zicke bei so was und falle schon wieder auf Social Networks rein, die ja eigentlich außen vor bleiben sollten) und dafür den ollen Don Alphonso mitten rein gepackt. Weil: Etwas Ehrlichkeit tut ja immer gut und der Bursche ist der Ehrlichste weit und breit (das geben heimlich sogar seine schlimmsten Erzfeinde zu) und ich hab auch langsam die Nase voll davon, irgendwelchen Leuten digitalen Honig um den Mund zu schmieren, um irgendwo hin zu kommen. Mit einem Blog wie dem hier kommt man nirgendwo hin. Das ist Fakt und gut so. Überhaupt impliziert ja das hin, dass es ein Ziel gibt und das gibt es nicht, denn eigentlich ist dieses Blog nur aus einem Grund da, und zwar, damit ich irgendwo lange Texte reinschreiben kann, das würde ich sogar dann tun, man glaubt es kaum, wenn man diese Typen so sieht, die sonst in der Blogosphäre rumlaufen, wenn ich kein Blog hätte. Als Kind hatte ich schon Blogs. Ohne Netz. Das waren leere Blätter aus Schreibmaschinenpapier, auf die habe ich Kästchen und Spalten gemalt und dann kleine Zeitungen und Zeitschriften erfunden, von denen ich regelmäßig neue Ausgaben produziert habe. Nur für mich selbst und ganz alleine zu Hause. Liegen immer noch in meinem alten Zimmer bei meinem Eltern in einem dieser Pappschuber. Tausende davon, ungelogen. Da gibt es welche, in denen wie in einer Wochenzeitung über Ereignisse aus Welten berichtet wird, die ich selbst erfunden habe. Und welche, in denen ich die Geschichten in den lustigen Taschenbüchern rezensiere. Dann welche, in denen einfach nur Literatur stattfindet, ich hatte ja damals nix, also hab ich mir meine Literatur und meine Medien und meine Geschichten selbst erfunden und ich danke meinen Eltern echt dafür, dass sie mir keinen Fernseher und keinen Computer gegegeben haben, denn sonst wäre ich doch auch nur abgestumpft und hätte nicht, für mich und ganz alleine analog vor mich hingebloggt jeden Tag, um nach einiger Zeit wieder was zu haben, was ich mir neu durchlesen kann. Und Werbung wird’s in dem Blog hier wohl auch nie geben, ich meine, wofür sollte man denn hier werben? Für Photoausrüstungen? Da bin ich gegen, ich mag lieber Lomographie und kaputte Linsen, die man sich selbst irgendwie zusammenbastelt. Antiquitäten, vielleicht. Aber damit will ja niemand online werben, das geht irgendwie gar nicht zusammen. Musik? Filme? Kultur? Ich find ja grundsätzlich alles scheiße, bin der komplette Kulturpessimist, ich hasse sogar Avatar aus ganzem Herzen,  und, ey, den mag doch wohl wirklich jeder, auch wegen seiner Öko-Botschaft und der bahnbrechenden Effekte (jetzt bloß nicht diesen alten Kalauer bringen), nur ich hasse ihn wie die Pest,  und auch wenn ich wusste, dass das ein Popcorn-Film ist, als ich rein ging, hasste ich ihn in seiner Art als Popcorn-Film. Aber sowas von. „Ich glaube, mit Dir kann man echt in keinen Mainstreamfilm gehen“, sagte da jemand kürzlich zu, als ich erwähnte, wie die blauen Aliens mit Til Schweiger konkurrieren in Sachen Anzahl der Gesichtsausdrücke und dass es wohl noch nie einen Film gab, bei dem die Kosten für das Drehbuch 30 Euro und die Kosten für die Effekte 300 Millionen betrugen, und dass das wohl symptomatisch für unsere Zeit wäre. Ich glaube, derjenige, der eben das sagte, dass man mit mir in keinen Mainstream gehen kann, hat nur zum Teil recht, denn Titanic und Aliens sind für mich im Vergleich Meisterwerke.

So. Und jetzt wird wieder gebloggt. Herzlich Willkommen in Zwanzigzehn und im analogen Land: Bitte anschnallen und Blick weit nach vorne, denn wir sind die neue digitale Elite und trotzdem voll Underground. Oder so. Und das war jetzt gar kein Rant. Ein Rant geht bei mir ganz anders. Das war eine heimliche Liebeserklärung an Euch Blogger, Twitterer und Netzkreaturen (sogar den Popkulturjunkie!) da draußen, Mann. Und jetzt schalte ich die Social-Maschine doch wieder an und spamme einen Link auf diesen Beitrag durch den Äther. Aber das mit dem Abschalten und ganz in Ruhe was fabrizieren, das passiert hier in Zukunft öfter, versprochen. Ich will ja nicht, dass sich @muttibot weiter so für mich und meine Nutzlosigkeit schämen muss.


Hauptrolle, Leerstellen, Autor.

Ich blicke Dir direkt in die Augen, versuche, die Mitte in ihnen finden, aber die Mitte existiert nicht, denn Dein Blick weicht aus, er schwimmt, auch wenn Du die Pupillen nicht bewegst und auch wenn man nicht erkennt, ob Du, den Beobachter absichtlich verwirrend im Kreis schwimmst oder doch selbst ziellos gegen das Ertrinken ankämpfst. „Du bist gar nicht hier, oder?“, frage ich.

„Blick nicht in die offenste Stelle meines Körpers. Das ist revierverletzend“, sagst Du, drehst Dich um und gehst. Das Geräusch Deines Rollkoffers auf dem partiell mit Eis bedeckten Gehweg bleibt in meinem Gedächtnis kleben wie Kaugummi in langen, filzigen Haaren, denn es ist ein unregelmäßiges Geräusch, nichts, das man sich merkt, um es nach einiger Zeit wieder zu vergessen. Man merkt es sich eher wie ein Zitat, lernt es auswendig.

Danach: Auftritt: Tristesse.


Betriebsferien.

Die Irrlichterkette und ich machen von hier an eine Woche Betriebsferien und melden uns in alter Frische und mit neuen Geschwurbel im kommenden Jahr wieder. Feiern Sie gut rein und vergessen Sie nie: Der Feuerschein zaubert die zuckenden Leiber der Verdammten als Schatten an die Wand des Kaminzimmers. Man möchte melancholisch darob werden!


Xmascontent (I)

Wache Träume,
Glaubenswelt.
Schlafe wachsam,
unter Sternen.


Dings.

Stellen sie mir anonym eine beliebige Frage. Ich beantworte alles.


Traumsequenzen (IX)

Ich erwache auf einer Fähre. Ich will in den Urlaub fahren, in ein neu entdecktes skandinavisches Land, in den Winter. In meiner Kabine liegen alle meine Sachen wüst verstreut herum, dazwischen endlos viel Müll, ganz viele schmutzige Messer und Gabeln, seltsame Werkzeuge. Was ist hier passiert? Ich habe viel zu lange geschlafen, bemerke ich, und stelle beim Blick aus dem Fenster fest, dass die Fähre bereits wieder in die entgegengesetzte Richtung fährt, dass ich es verpasst habe, auszuchecken.

Ich sammle wahllos Sachen ein, die ich dringend brauche, werfe sie in meinen Rucksack und versuche, einen Weg zu finden, das fahrende Schiff zu verlassen, was sich als schwierig entpuppt, denn es ist komplett verwinkelt, trotzdem ich mit einem roten Moped durch seinen Unterbau fahre (darüber, dass wir mitten auf dem Ozean sind, denke ich aus irgendeinem Grund gar nicht erst nach, als ich beschließe, hier sofort runter zu wollen). Irgendwann hält mich ein glatzköpfiger Mann auf. Polizeikontrolle. Er findet ein mit Senf und Blut beschmiertes Messer auf dem Boden, ich kann ihn überzeugen, dass es nicht von mir ist, obwohl ich gehört hatte, wie es aus meinem Rucksack fiel, als ich bremste. Er kann mir nur eine Strafe dafür geben, dass ich auf meinem Zweirad nicht angegurtet war (das sei auf diesem Schiffstyp so üblich). Ich fahre und fahre weiter durch das finstere Schiff und finde irgendwann eine rote Luke an der Außenwand, die man mit Eingabe eine Passworts an einem Touchscreen öffnen kann. Ich weiß das Passwort und öffne sie. Es lautet „Halt die Klappe“, hah, ein infantiler Witz, den sich der Programmierer ausgedacht hat.

Draußen plumpse ich nach dem Kriechen durch eine gummiartigen Röhre irgendwann auf ein Förderband mit grünen Teppichen, dass mich immer wieder in Windeseile ein paar hundert Meter weiter transportiert, zu einem Checkpoint. An jedem dieser Orte, an denen das Förderband für unterschiedlich lange Zeitspannen stoppt, machen Soldaten irgendwelche Übungen, es wirkt, als sei ich in irgendein innovatives Videospiel geraten und hätte keine Anleitung bekommen. Am dritten dieser Checkpoints, die wohl allesamt Teil einer Grenzkontrolle sind, besteht die Übung darin, dass ein ein erfahrener Soldat einem Neuling, einem Rekruten, aus einiger Entfernung in die Schulter schießt und dass eben der Getroffene den Schmerz erträgt und das Gefühl kennen lernt, von einem Schuss getroffen zu werden. Ich stehe plötzlich neben direkt dem heute zu prüfenden Neuling und noch während ich überlege, woher ich den etwa zweihundert Meter entfernt auf einer Plattform zielenden Schützen kenne, reißt mich die Wucht der Kugel zu Boden. Er hat auf meine Schulter geschossen. Absicht. Es war der Polizist vom Schiff, wütend darüber, dass er mir nichts anhängen könnte. Verflucht.

Schnitt. Ich renne durch den Schnee, die Sonne scheint, ich greife immer wieder in die weiße Masse und werfe Schnee über mich, wühle ihn mit den Füßen auf, lache, freue mich. Ein Gefühl von unendlicher Freiheit, ich schreie in kindlicher Spielfreude laut, als ich im Schneeanzug absichtlich einen Abhang hinter kugele. Ich bin in dem Land, in das ich wollte. Schnitt. In einer Hütte mitten im Schnee, in alle Richtungen bis zum Horizont nur ein weißer Ozean. Ich werfe Holzscheite in den Ofen, es wird nach und nach wärmer. Mit mir sind zwei Frauen dort, eine ist permanent nackt und über und über mit Wörtern in Runenlettern tätowiert. Sie ist es, die mir erzählt, wie dankbar sie mir dafür wäre, dass ich sie mit hierher gebracht hätte. Dass sie nun endlich verstehe, wie es ist, losgelöst zu sein. Sie lächelt und auf ihr oberes Zahnfleisch, das sehe ich erst, als sie lacht, ist das Wort „liar“ tätowiert. Ich frage mich, ob sie davon etwas weiß. Schnitt. Mit der anderen Dame, einer eher unscheinbaren Person im grauen Mantel vom Typ Lehrerin, bin ich Einkaufen in einer kleinen Stadt irgendwo in der Nähe unseres Ferienortes. An der Bushaltestelle kommt es zum Streit, als ich sie über über die Tätowierte ausfragen will. Das gehe mich nichts an, sagt sie, ich werde wütend und laufe weg. Ein paar Häuser später komme ich zum Stehen, rauche eine Zigarette, denke nach, überlege mir die Sache anders und gehe wieder zurück. Der Busfahrer hat auf mich gewartet. Meine Einkaufsbegleitung hatte ihn darum gebeten, denn sie glaubte an das Gute in mir, so erzählt sie mir lächelnd, als wird zur Hütte fahren, vor der absurderweise genau eine Bushaltestelle liegt. Wieder in Freiheit, mitten im Schnee.


Alt, aber jung.

Laub und Veilchen sind geboren,
aus Ängsten, bin vergnügt,
alle Keime sind mein Sterben,
mir verjüngt sich lustig hin.


Reminder (2009)

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An dieser Stelle sei verwiesen auf mein seit einiger Zeit mit wachsendem Interesse geführtes Skizzenblog zu diesem Skizzenblog (vulgo: Posterous-Account) mit grundsätzlich unfertigen und schnell aus dem Mittelhirn rausgezwurbelten (und manchmal auch von unterwegs verschickten) Beiträgen, die zum Teil hier in schnieker lackierter (Nein, nein, kein Komma, Komparativ, Dude!) Form wiedergekäut werden.


Schönheit.

Ein Gespür für Ästhetik zu haben, die Fähigkeit, Schönheit erkennen zu können, hat etwas sehr Grausames. Ich sehe diese junge Frau aus der Ferne in der U-Bahn, und selbst wenn ich den Mut dazu hätte, dann wäre ich gar nicht in der Lage, ihr zu sagen, wie umwerfend bezaubernd ich ihre Erscheinung finde, denn die Bahn ist komplett überfüllt. An der nächsten Station steigt sie aus und verschwindet für immer aus meinem Leben.

In diesem Moment möchte ich mich selbst dafür schlagen, dass ich sie so einfach entwischen lasse, obwohl mir natürlich bewusst ist, dass sie mich, wenn ich sie tatsächlich einholen könnte, wenn ich mich in einem Anflug von blindem Wahn durch die Menschenmassen drängen und ihr hinterher hechten würde, nur als einen verrückten, betrunkenen Mann wahrnehmen würde, als einen von Tausenden, die jeden Tag ihr Glück bei ihr versuchen. Ich fühle mich in solchen Situationen gleichzeitig wie ein schlechter Mensch (natürlich weiß ich, dass man niemanden nach Äußerlichkeiten bewerten darf, aber für mich ist diese Frau dennoch auch innerlich ein Engel, ganz definitiv) als auch wie ein schrecklicher Versager, der alle Momente, in denen eine solche Art von Schönheit tatsächlich in sein Leben trat, nie genug zu würdigen wusste. Ich wünsche mir, ich wäre einfach nur blind dafür. Es würde mein Leben viel glücklicher machen.


Instant Poetry (CLXI)

Ich fand mich sitzen, liegen, stehen
an des Felsens Quelle,
am letzten Abend des Novembers: Irgendwo im Nirgendland.

Jetzt wird alles wieder ganz gewöhnlich,
denn es ist endlich kein November mehr.

Zum Glück.


Traumsequenzen (VII)

Wir kommen von einer Abschlussparty, die auf einem Schloss stattfand und wollen auf den Weihnachtsmarkt. Wir, das sind meine Begleitung, eine junge Dame, die mir seltsam bekannt vorkommt und die ich vor dem Schloss minutenlang küsse, ein paar Freunde von ihr und so ein nerdiger, dicker Typ mit einer riesigen Brille, der mein eigener Doppelgänger aus einem parallelen Universum zu sein scheint. Er stand auf der Party plötzlich vor mir und grinste mich an, ohne zu reden. Er redet nie, erklärte man mir.

Der Weihnachtsmarkt ist etwa so grauenhaft wie die Halloween-Version eines Weihnachtsmarktes in einem Film von Tim Burton. Nur ohne den Humor. Es tummeln sich dicht an dicht als Monstren verkleidete Verrückte aller Art, dazwischen entstellte Menschen, die bizarre Dinge tun. Man quetscht sich durch die Menge und plötzlich sieht man eine offene Wunde mit Maden auf der Wange des Typen, der zwei Zentimeter neben einem steht und auch noch bedrohlich schwankt. Irgendwo sitzt ein einäugiger, bärtiger Mann und zwitschert permanent vor sich hin wie ein verendender Vogel, das ist sein Trick. Auf dem übergroßen Holzschild, das er mit einer Schnur um den Hals trägt, steht, dass man ihm folgen sollte. Zwei Menschen tragen das Kostüm einer siamesischen Giraffe, andere haben sich derart mit diversem Metall bekleidet, dass sie nur noch wie wandelnde Schrotthaufen aussehen, die absichtlich Passanten anrempeln. Das sei hier eben so, ich solle mich doch mal freuen, sagt jemand, den ich darauf anspreche, was hier eigentlich los sei. Wir gehen weiter durch den Markt und sehen unfassbar viele unvorstellbare Dinge. Auf einer kleinen Bühne wird ein Kunststück vorgeführt, das nur darin besteht, dass ein kleines Mädchen vortäuscht, bei einem anderen Kunststück in einer dieser alten Metallwannen zu ertrinken. Das Publikum johlt.

Ein Bekannter meiner Begleitung hat sich in einem verfallenen Haus unter einer Treppe sein eigenes kleines Domizil eingerichtet: Es werden psychedelische Kinderlieder auf einem alten Grammophon gespielt, dazu tanzen in den Regalen unzählige Gartenzwerge (er besteht darauf, dass es sieben wären, dabei sind es mindestens siebzig), die er mit einem Mechanismus ausgerüstet hat, der sie dazu bringt, sich hüpfend im Kreis zu drehen. Manchmal fällt einer runter und zerbricht. In der Ecke gibt es Besen und Schaufel für diesen Fall, daneben ein riesiger Müllsack voller Scherben, in den man besser nicht hineinsieht, denn es sieht dort aus wie in einem Zwergenmassengrab, erklärt man mir. Ich blicke dennoch hinein und muss mich direkt in die Tüte übergeben. Ich will nach Hause, aber die Fähre, die  die Leute an diesen Ort bringt, kommt erst in einigen Stunden wieder. Wir müssen zurück auf den Markt.

Eine der Attraktionen auf dem wohl finstersten Weihnachtsmarkt der Welt, die ich noch unbedingt ausprobieren soll: Man kann sich blutsaugende Marienkäfer auf den Arm setzen lassen. Das bringe Glück, erklärt meine Bekannte, die inzwischen eine Brille trägt und zu einer alten Frau geworden ist. Dann lacht sie verrückt, nimmt meinen Arm und steckt ihn bis zum Ellenbogen in dieses riesige Einmachglas voller bunter Marienkäfer. Ich bin ganz ruhig. Vielleicht bringt das ja wirklich Glück, denke ich, als ich spüre, wie sich die Insekten in mir verbeißen. Ich wache auf. Mein Arm ist eingeschlafen. Das Kribbeln kommt bestimmt von diesen verdammten Viechern, denke ich, noch ganz in der Traumwelt.


Art. (2009)

“Heute Nacht hab ich’s endlich begriffen, Kunst: Du bist die Einzige für mich!”

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Self-Portrait.