re:publica 2010: „Kreisbewegungen, oder?“

Zwei Mal wagte ich am gestrigen Tag den Versuch, einen „ernsthaften“ Artikel über die re:publica 2010 in die Tastatur zu hacken, ich wollte diesen bunten, wilden Social Media-Gemischtwarenladen an drei Locations mit neun Veranstaltungsräumen, zig Workshops, Seminaren und Vorträgen und 2500 Besuchern mitten in Berlin, dieses Internet mit echten Menschen aus distanzierter, journalistischer Perspektive betrachten. Ich musste daran scheitern: Allzu schnell bemerkte ich, dass ich, egal, was ich schreibe, der Veranstaltung damit genau so wenig gerecht werde wie alle diese ignoranten Artikel über die „Bloggerkonferenz“, die in den letzten Tagen in allen großen Holzmedien erschienen sind. Nein, sie war nicht hochgradig selbstreferentiell, diese re:publica, sie war aber auch nicht sonderlich visionär. Sie war nicht mit ausschließlich hochwertigen Veranstaltungen gespickt, aber auch nicht mit schlechtem Inhalt übersät. Sie ist kein Vorbote einer Zersplitterung der Netzkultur, aber wirkliche Schnittmengen gibt es zwischen Teilen der Twitteria (ich meine damit sicher nicht die Leute, die nebenbei auch ein bisschen ihre Links über die Seite schicken, sondern eher diejenigen, die am späteren Abend Twitter mit StudiVZ verwechseln und darüber schreiben, wer gut auf der Tanzfläche aussieht) und netzwerkenden Social Media Beratern in vielen Fällen tatsächlich nicht mehr.

Ein Brain-Stream, stattdessen: „Content is King“, Du sollst Deine Besucher wertschätzen, Realsatire pur im Vortrag „Blogs monetarisieren“. Extrem flache Tipps und Kniffe, mit denen man angeblich mehrere tausend Euro monatlich beim Bloggen verdienen kann, treffen amerikanische Fernsehprediger-Mentalität mit ein bisschen billiger Comedy. Den Leuten gefällt es. Die Menge johlt auch dem Wikileaks-Mann zu, der ein paar Powerpoint-Folien abliest, die erzählen, was sein Unternehmen so macht und der anschließend eine halbe Stunde lang Beispiele eben dafür auflistet. „Hätte ich bei Wikipedia detaillierter selbst nachlesen können“, denke ich, da twittern schon die Ersten über angebliche Standing Ovations. Dabei sind von einigen hundert Zuhörern nur drei oder vier Leute in der ersten Reihe aufgestanden, und die klatschen eher für das Projekt an sich, nicht für den Vortrag, jede Wette. Ein Hattrick macht das locker wett: Der halbe Popstar Jeff J. ruft das Zeitalter der Post-Privacy aus und erklärt anschaulich, warum er der Meinung ist, dass es nur positive Effekte haben kann, so öffentlich wie möglich zu agieren. Anschließend geht er, zur Untermauerung seiner These, mit ein paar Besuchern der #rp10 tatsächlich in die Sauna. Nackt sind wir alle gleich, das ist die Botschaft. Und ich hielt die Ankündigung in der Rede noch für einen Witz. Was hingegen passiert, wenn die Öffentlichkeit ein paar öffentliche Sachen nicht so toll findet, und wie man die dann unvermeidlichen Trolle unter Kontrolle hält, erläutert später Sascha L. in einer unterhaltsamen, selbstironischen und dennoch tiefsinnigen Rede, die mit „How To Survive A Shitstorm“ betitelt ist. Spannende These: Irgendwann, wenn sie ausufert, dann wird die Schlammschlacht gar zur Anti-Kritik, in der der eigentliche Kern der Kritik hinter einem braunen Trolltornado verschwimmt. Dazwischen das absolute Highlight: Prof. Dr. Peter K. referiert über zwei Gruppen von Heavy-Netzusern, die sich gar nicht verstehen können, weil sie mit anderen Bewertungen auf gleiche Dinge blicken, am nächsten Tag falsch wiedergegeben („Internetversteher vs. Nicht-Versteher“) von den meisten Zeitungen, die möglichst schnell Artikel darüber in die Online-Ausgaben bringen müssen.

Slow Media geht anders, nämlich mit Qualität und Hingabe. Der Vortrag dazu ist allerdings so überfüllt, dass ich den Versuch entnervt aufgebe, dort tiefere Information zu erhaschen und mich wieder in den Hof begebe, wo die Digital Natives sich beim Plausch seit Tagen gegenseitig Honig um den Mund schmieren. Wir verteilen für den 13. Stock die ganze Zeit an diverse Leute WanderCamp-Buttons, ich verstecke ein paar wenige Zettelgedichte auf den Toiletten. Im Vorbeigehen sehe ich vor der Kalkscheune ein paar rauchende alte Männer mit Poken, den Internet-Tamagotchis von 2008, herumspielen, die über die junge Netzgeneration schimpfen, die angeblich nichts selbst aufbaut und nur die vorhandenen Ami-Netze nutzt, und schäme mich fremd, denke aber gleichzeitig unwillkürlich darüber nach, ob das uns in ein paar Jahren auch so gehen wird. Wird man uns irgendwann auch auslachen, weil wir uns permanent im Netz mit dem Netz beschäftigen, aber alle anderen es bereits als ganz natürlichen Lebensraum entdeckt haben, über den man eigentlich gar nicht mehr wirklich reflektieren muss? Content is doch King, weißte. Aber wenn der Content nur aus Metacontent besteht, dann wird es irgendwann eng, sinniere ich in meine Kopfnotizapp, als sich plötzlich Robert B. neben mich setzt. Dem schreibe ich oft böse Kommentare in sein Blog und habe ihn als Freund gelöscht, als er seine Follower verkaufen wollte, er lädt mich trotzdem zu einer Zigarette ein. Überhaupt: Geeignet für deluxes Namedropping, so eine Veranstaltung: Der genannte und grundsympathische Sascha L. überredet mich und eine alte Freundin dazu, mit auf die Party am ersten Tag zu kommen, als ich eigentlich schon nach Hause fahren will, ich sehe ständig Mario S. mit seiner alten Kamera (die in Wahrheit modernste Technik ist) herumstreunen, kettenrauchen und Bilder machen. Irgendwann überwinde ich mich und wechsle sogar Worte mit ihm. Hauptorganisator Johnny H. ist sowieso der netteste Mensch der Welt, wie ich feststelle.

Anderswann sitzt irgendwo in der Nähe in einem Cafe (nein, nicht das Oberholz, ich vermeide diesen Klischeeort aus Gründen) @silenttiffy und wartet auf mich. „Eiere durch Berlin wie ein sich selbst ausgesetzt habender Hund“, schreibt sie, als ich im Stechschritt zur S-Bahn eile, mein iPhone permanent in der Hand, busy wie ich hier bin. Ich bin anschließend heilfroh drüber, dass ich für ein paar Stunden raus aus dem überdrehten Zirkus in der Friedrichstraße bin, schimpfe über das Programm, um herauszufinden, was meine eigentliche Meinung zu dem Ganzen ist, fühle mich inzwischen durch die Tonnen von Eindrücken psychisch derangierter als nach der Knüppelnacht auf dem With Full Force und habe Menschen gesehen, denen ich Nachts nicht auf Facebook begegnen will. Und trotzdem: Ein paar Sachen und diverse Begegnungen waren wirklich gut, stelle ich schließlich fest, als mich mein eigener Rant nicht komplett von der Sinnlosigkeit der Sache überzeugen kann. Nicht das Zeug, das wirkte, als würden die Redner eigentlich Unireferate halten und nur von Zetteln ablesen. Davon war einiges vorhanden, ich erspare mir, es aufzulisten. In der Vorlesung „Sex And The Internet“ gucken tausend Leute über Chatroulette einem Typen beim Onanieren zu (ich gebe zu, ich habe kurz überlegt, hier jemanden reinzulinken), der ziemlich schnell die Hand auf der Next-Taste statt am Geschlechtsteil hat, als er bei einer Drehung des Macbooks und einem ihm frenetisch applaudierenden Publikum bemerkt, dass er zufällig in eine sehr bizarre Situation hineingeraten ist. Gutes Nerd-Entertainment. Als mir irgendwann Nachts im Hof nach einigen Gläsern Bier Stefan N. über den Weg läuft, sage ich ihm, dass er auf sich aufpassen soll, denn das Internet brauche ihn noch. Finde ich wirklich. Biz S., den Johnny H. über Skype zum Videochat anrufen will, geht hingegen erst gar nicht dran, obwohl ein paar hundert Leute hier mit ihm verabredet waren. Macht nichts, wir singen einfach alle zum Abschluss zusammen Karaoke, Videos gibt es schon längst auf YouTube, is klar. Ich rede in den drei Tagen außerdem mit vierhundertzweiundfünfzig anderen Menschen, wenn auch meist nicht mehr als einige Sätze. Nicht übel für jemanden, der auf seine alten Mailadresse immer noch in regelmäßigen Abständen Post von einer Sozialphobiker-Selbsthilfegruppe bekommt, oder?

Das doppelte re:publica-Paradox: „Für eine Arbeitslosenveranstaltung haben die hier ziemlich viel Ahnung von EDV“, twittert der @dikator auf einen Zettel und gewinnt damit den Offlinetweetcontest. Ganz unterschreiben kann man das aber dann doch nicht, denn zum Twittern muss man bei der #rp10 vor die Tür, 2000 mobile Geräte wollten zur Spitze gleichzeitig online gehen, erzählt man mir (halte die Zahl übrigens für eine Übertreibung), das macht kein Wlan mit. Deswegen gibt es an dem Ort, an dem sich das ganze deutsche Internet in Person versammelt hat, auch die meiste Zeit keinerlei stabiles Netz. Eigentlich sehr passend, denke ich.


Klassentreffen: Twitterhude Zwanzigzehn.

Ich hatte gestern beim Twittern einige merkwürdige Visionen. Mir war, als stünde meine halbe Timeline in Person vor mir.

Und die Visionen gingen so:

Mein grandioser Plan, gänzlich unerkannt zu bleiben: Zerstört durch das Duo Infernale aus @Epitymbidia und @Herr Twiggs, die mir zwei ganze Kilometer vom Verantstaltungsort entfernt mit der unvollendeten Frage: „Entschuldigen Sie, wissen sie, wo das stilwerk, ach, der Herr Baumer, der will doch auch dort hin“ jegliche Illusionen nahmen, dass mein Profilphoto und ich einander nicht so einfach zuordenbar wären und sogar meinen Zweitaccount benennen konnten.

Meine undurchdachte Idee, eine Halb-#Offlinerin und gute Freundin mit in die Veranstaltung zu bringen: Zerschmettert in nur 15 Minuten mit den Twitterianern und ihren permanenten Inside-Jokes ([irgendwas über @haekelschwein] – „Du, ich glaub, geh dann mal.“ – „Würde ich ihr folgen, wäre aber bald damit Schluss!“).

Meine schlimme Befürchtung, selbst niemanden erkennen zu können: Makulatur, nachdem der Bursche mit den zweitgefärbten Haaren (@moeffju) schon am Eingang ganz selbstverständlich vor mir stand.

Mein pathetischer Hilferuf nach Aufmerksamkeit über die Twitter-Wall („Sitze allein auf der Heizung und twittere. Passend.“): Innerhalb von Millisekunden („So, jetzt bist Du nicht mehr allein“) reallifeartig beantwortet von den mich plötzlich umringenden @Weiszklee und @Mlle_Amandier.

Mein dringender Vorsatz, nicht vor Ehrfurcht oder Erstaunen über die wahren Persönlichkeiten der vielen virtuellen Menschen zu erstarren: Einfach kaputt geschlagen durch @cemb, dem im Anzug erschienenen @germanpsycho und @diktator.

Mein Geistesblitz, irgendwann einfach wieder zu verschwinden: Torpediert von @elbpoet und @silenttiffy, in deren Taxi ich unter widrigen Umständen geriet, um in Saschas Wohnung bei Rotwein bedeutenden Fragen wie der Motivation, die Menschen zum Schreiben bringt, ausführlich nachzugehen.

#

Ein langer Abend unter Gleichgesinnten. Es hatten sich sogar ein paar Spamfollower unter die Anwesenden gemischt. Und ich hab überall noch Analogtweets (vulgo: Zettelgedichte) ausgestreut (die zum Teil gefunden und in einem Fall auch getwitpict wurden [edit: In zwei]) und mein Bild in echt gesehen, Twitterhimmel.

Tausend Favs und Dank @frauenfuss.


Analogik (Happy Zwanzigzehnentschleunigung)

Einfach mal raus auf das analoge Land: Twitter und @silenttiffy mitten in der Nacht einfach ignorieren, selbst wenn man die Depression um drei Uhr morgens gerade sowas von nachvollziehen könnte und froh wäre, da im magischen Kästchen mit dem Apfelsymbol hinten drauf unter der Bettdecke im Nichtschläferland eine Verbündete zu haben, die sich die Finger und den Geist wund schreibt gegen all den Kram, der so im Innen passiert, den Facebookstream, in dem immer wieder Sascha Lobo bei mir auftaucht, weil ich auch immer wieder darauf reinfalle, seine Postings zu kommentieren, selbst wenn die in Wahrheit doch oft klüger sind, als man es ihm nachsagt, einfach mal ausblenden, sich nicht bei Flickr und Deviantart einloggen, um sich die heuchlerischen, immer gleichen „awesome“-Kommentare von Leuten, die eher Bots als wirkliche Leute sind, durchzulesen, nur um dem eigenen Ego ein kleines Aufmerksamkeitsbonbon zu gönnen, das doch wieder nur zehn Minuten hält. Mal einfach nicht nachgucken, wer wieder grinsend und schlipstragend die selbstgegründeten, coolen Xing-Gruppen beiheimaten will, die man natürlich alle mit Mitgliederschranke versehen hat, damit die grinsenden, anzugtragenden Schlipsmenschen die Hosen in Form eines Mitgliedsantrags runterlassen müssen vor dem komischen Blogger mit dem seltsamen Profilbild, dem sie sonst nur Nichtbeachtung schenken würden, maximal, während sie sich in feierlicher Wichtigkeit mit anderen, noch breiter grinsenden Anzuträgern verknüpfen und Kontakte wie Floskeln austauschen in ihrem komischen Tanz um den Mammon. Mal einfach rausbleiben bei Last.fm und nur Musik hören, die man nicht danach aussucht, was sich gerade cool machen würde in den eigenen Wochencharts, und sich vor in leeres Blatt Papier setzen und schreiben. Wobei Papier ja auch nicht stimmt. Das Weiße, das OpenOffice (rockt übrigens derbe und ist kostenlos und dass man das immer noch sagen muss, zeigt mir die Reaktion meiner Mitbewohnerin, die ganz erstaunt darüber war, dass es soetwas gibt) mir da zeigt ist nichts anderes als die digitale Imitation von etwas, das Papier ähnlich sein soll, in Wahrheit aber nur ein eckiger Kasten aus weißen Pixeln auf einem Screen ist. Hach. Einfach mal wieder bloggen. Die Langsamkeit wiederentdecken und schreiben, was man will und so viel, wie man will, einfach da rein in diese Kiste, die man früher Laptop nannte und heute Notebook schimpft, auf die weißen Pixel, bis die weißen Pixel zu weißen Pixel werden, die von schwarzen Pixelformationen übersät sind, die sich wiederum anordnen, als wären sie Buchstaben. Einfach mal bloggen, aber nicht direkt im Blog, natürlich, wer sowas macht, der ist auch kein Blogger, sondern höchstens ein Spinner, der so tut, als wäre er ein Blogger. Blogger schreiben Artikel. Sie schreiben sie auf (digitalem) Papier und speichern sie in Ordner und dann kopieren sie sie irgendwann, wenn sie drei Mal drüber gelesen haben (und natürlich dabei trotzdem Fehler übersehen haben, denn sie sind ja Blogger und keine Lektoren) und stellen sie in ihr Blog. Und das ist ein verdammter Unterschied dazu, einfach gedankenlos in einem Browser irgendwas irgendwo in ein leeres Feld reinzutippen, oh, Mann. Aber Blogger sind auch eine aussterbende Art. Viele von uns gibt es nicht mehr, und die, die es noch gibt, mit denen habe ich auch so meine Probleme, denn einige, die schreiben viel und sagen nichts und andere, die klauen nur Links zusammen und machen sie hübsch und dann gibt es wieder solche, die haben fast gar keine eigenen Inhalte. Und eigentlich wollte ich unter alle diese Worte passende Links drunterpacken, aber weil ich gerade gut gelaunt bin und weil es, von meinem kleinen digitalen Zuhause kommend, sowieso nicht die nötige Schlagkraft hätte, um für die Alpha-Tierchen mehr als eine kleine Mücke am elefantösen Arsch zu sein, lasse ich es gnädigerweise weg.

Aber einen (oder besser gleich zwei) verlinke ich doch, weil sie vielleicht symptomatisch sind: Ich habe nämlich gerade den Popkulturjunkie aus meiner Blogroll gekickt, der mir eigentlich schon deswegen auf die Nerven geht, weil er alle paar Tage die Fratze der Mainstream-“Alternativkultur“ für wahnsinnige coole Leute, die in Wahrheit in einer Bank arbeiten, am Wochenende aber zum Depeche Mode-Konzert gehen und immer noch glauben, dass das die angesagteste und heißeste Band des Jahres wäre, hypt und doch tatsächlich die langweiligste und konsensorientierteste Best-Of-Liste des Jahres des Jahres veröffentlicht hat, bei der er zusammengerechnet hat, was die meisten Musikmagazine gewählt haben (man will seinen Kopf gegen die Wand schlagen, mit der gleichen Logik könnte man generell die Charts geil finden; es macht mich echt rasend, wie die Inhalte, die dort propagiert werden, so populär sein können, selbst wenn ich im Grunde die meisten dieser Bands und Filme selbst sehr gerne mag und auch in meiner Liste haben werde, wenn ihr versteht was ich meine, dann ist das Problem eher das, dass das Blog  eben nur den „heißen“ Trends hinterherläuft und -plappert statt selbst Themen auf die Agenda zu setzen), aber auch deswegen, weil der Typ dahinter seit Monaten meine Facebookfreundanfrage lakonisch ignoriert (jaja, ich bin ganz klar eine richtig eitle Zicke bei so was und falle schon wieder auf Social Networks rein, die ja eigentlich außen vor bleiben sollten) und dafür den ollen Don Alphonso mitten rein gepackt. Weil: Etwas Ehrlichkeit tut ja immer gut und der Bursche ist der Ehrlichste weit und breit (das geben heimlich sogar seine schlimmsten Erzfeinde zu) und ich hab auch langsam die Nase voll davon, irgendwelchen Leuten digitalen Honig um den Mund zu schmieren, um irgendwo hin zu kommen. Mit einem Blog wie dem hier kommt man nirgendwo hin. Das ist Fakt und gut so. Überhaupt impliziert ja das hin, dass es ein Ziel gibt und das gibt es nicht, denn eigentlich ist dieses Blog nur aus einem Grund da, und zwar, damit ich irgendwo lange Texte reinschreiben kann, das würde ich sogar dann tun, man glaubt es kaum, wenn man diese Typen so sieht, die sonst in der Blogosphäre rumlaufen, wenn ich kein Blog hätte. Als Kind hatte ich schon Blogs. Ohne Netz. Das waren leere Blätter aus Schreibmaschinenpapier, auf die habe ich Kästchen und Spalten gemalt und dann kleine Zeitungen und Zeitschriften erfunden, von denen ich regelmäßig neue Ausgaben produziert habe. Nur für mich selbst und ganz alleine zu Hause. Liegen immer noch in meinem alten Zimmer bei meinem Eltern in einem dieser Pappschuber. Tausende davon, ungelogen. Da gibt es welche, in denen wie in einer Wochenzeitung über Ereignisse aus Welten berichtet wird, die ich selbst erfunden habe. Und welche, in denen ich die Geschichten in den lustigen Taschenbüchern rezensiere. Dann welche, in denen einfach nur Literatur stattfindet, ich hatte ja damals nix, also hab ich mir meine Literatur und meine Medien und meine Geschichten selbst erfunden und ich danke meinen Eltern echt dafür, dass sie mir keinen Fernseher und keinen Computer gegegeben haben, denn sonst wäre ich doch auch nur abgestumpft und hätte nicht, für mich und ganz alleine analog vor mich hingebloggt jeden Tag, um nach einiger Zeit wieder was zu haben, was ich mir neu durchlesen kann. Und Werbung wird’s in dem Blog hier wohl auch nie geben, ich meine, wofür sollte man denn hier werben? Für Photoausrüstungen? Da bin ich gegen, ich mag lieber Lomographie und kaputte Linsen, die man sich selbst irgendwie zusammenbastelt. Antiquitäten, vielleicht. Aber damit will ja niemand online werben, das geht irgendwie gar nicht zusammen. Musik? Filme? Kultur? Ich find ja grundsätzlich alles scheiße, bin der komplette Kulturpessimist, ich hasse sogar Avatar aus ganzem Herzen,  und, ey, den mag doch wohl wirklich jeder, auch wegen seiner Öko-Botschaft und der bahnbrechenden Effekte (jetzt bloß nicht diesen alten Kalauer bringen), nur ich hasse ihn wie die Pest,  und auch wenn ich wusste, dass das ein Popcorn-Film ist, als ich rein ging, hasste ich ihn in seiner Art als Popcorn-Film. Aber sowas von. „Ich glaube, mit Dir kann man echt in keinen Mainstreamfilm gehen“, sagte da jemand kürzlich zu, als ich erwähnte, wie die blauen Aliens mit Til Schweiger konkurrieren in Sachen Anzahl der Gesichtsausdrücke und dass es wohl noch nie einen Film gab, bei dem die Kosten für das Drehbuch 30 Euro und die Kosten für die Effekte 300 Millionen betrugen, und dass das wohl symptomatisch für unsere Zeit wäre. Ich glaube, derjenige, der eben das sagte, dass man mit mir in keinen Mainstream gehen kann, hat nur zum Teil recht, denn Titanic und Aliens sind für mich im Vergleich Meisterwerke.

So. Und jetzt wird wieder gebloggt. Herzlich Willkommen in Zwanzigzehn und im analogen Land: Bitte anschnallen und Blick weit nach vorne, denn wir sind die neue digitale Elite und trotzdem voll Underground. Oder so. Und das war jetzt gar kein Rant. Ein Rant geht bei mir ganz anders. Das war eine heimliche Liebeserklärung an Euch Blogger, Twitterer und Netzkreaturen (sogar den Popkulturjunkie!) da draußen, Mann. Und jetzt schalte ich die Social-Maschine doch wieder an und spamme einen Link auf diesen Beitrag durch den Äther. Aber das mit dem Abschalten und ganz in Ruhe was fabrizieren, das passiert hier in Zukunft öfter, versprochen. Ich will ja nicht, dass sich @muttibot weiter so für mich und meine Nutzlosigkeit schämen muss.


Ohne Titel.

[Der Selbstzensur zum Opfer gefallen.]


Bloglichter (I)

Eine meiner Meinung nach sehr sinnige Aktion, ins Leben gerufen von Stylespion.de: „Ein Herz für Blogs“ (bzw.  „Ein ♥ für Blogs“) fordert dazu auf, unbekannte Weblogs kurz vorzustellen und weiterzuempfehlen. Dem schließt sich Die Irrlichterkette trotz eigener Unbekanntheit hiermit an, auch es normalerwiese nicht zu meinem Repertoire gehört, bei derartigen kurzlebigen Aktionen mitzumachen. Aus diesem Grunde denke ich auch darüber nach, die Sache zumindest hier zu einer regelmäßigen Kategorie werden zu lassen, wie von Whudat.de bereits vorgeschlagen wurde.

Hier sind drei Blogs, die ich regelmäßig lese und die meiner Meinung nach zu Unrecht vergleichsweise völlig unbekannt sind:

Hor.de

Ein Weblog, an dem man als literaturinteressierter Mensch nicht ohne Staunen vorbeikommen sollte. Manchmal komplex, manchmal seltsam minimalistisch und doch immer sehr prägnant bringt dort Dirk Schröder Gedanken, Kommentare und Gedichte. Und das alles auf eine Art und Weise, die man eigentlich nur liebenswert unkommerziell nennen kann.

Monkirebella

Dadaistische, hintergründige und einsichtige Poesie von Feinsten gibt es in schöner Regelmäßigkeit von der Autorin Elisa Theusner in einem Weblog zu lesen, das so andersartig und seltsam entrückt wirkt, dass man eigentlich nur noch staunen kann über den genial-eigensinnigen Umgang mit Worten und Gedanken, der bei Monkirebella gepflegt und gehegt wird.

ISO 800

Nicht wirklich häufig, aber doch mit beharrlicher Konsequenz und Kontinuität füllt Fabian Mohr sein Weblog ISO 800. Mit Bildern, Worten und neuerdings auch mit HD-Videos, die wie sich bewegende Photographien wirken. In seiner Gesamtheit bildet das Blog ein beeindruckendes Portfolio eines sehr auf stilvolle Ästhetik bedachten Autors.


Wo sind die älteren Beiträge?

Gute Frage.

Das Weblog “Die Irrlichterkette” ist der seit 2008 auf meiner eigenen Domain gehostete Umzug eines seit vor vielen Jahren auf Blogger gepflegten und eher privaten Netztagebuchs mit dem merkwürdigen Titel “Art, Love und schneeblinde Sinnwundheilung”.

Ich habe zwar aus Gründen der Vollständigkeit die meisten der Beiträge hier wieder ins System eingepflegt und neu verschlagwortet (über 1000 Stück), aber einige sehr alte Postings (vor Mai 2007) haben den Weg auf die neue Präsenz nicht geschafft. Das hat den schlichten Grund, dass sich mein Schreiben im Laufe der Zeit auf ein höheres Niveau bewegt hat und ich den ganz alten Kram einfach deutlich zu schlecht finde, um ihn weiter in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es sind auch so schon genug wirklich grauenhafte Passagen pathetischen Befindlichkeitsmülls aus früheren Jahren an Bord.