Falsche Fragen.

„Warum bin ich hier?“

„Wo hier?“

„Warum bin ich hier? Warum bin ich in Deinem Bett?“

„Ich war auch ganz schockiert, als ich es eben bemerkte.“

„Hör mal kurz auf, albern zu sein.“

„Ich weiß es nicht: Warum bist Du denn in meinem Bett?“

„Ich habe Dir die Frage gestellt.“

„Keine Ahnung. Es fühlt sich gut an. Fühlt es sich nicht gut an?“

„Doch.“

„Welche Antwort hast Du denn erwartet?“

„Ich weiß nicht. Wenn Du gesagt hättest: Du bist hier, weil wir bereits drei Tage miteinander auf Reisen sind und das passiert nunmal in einigen Fällen, wenn Menschen beiderlei Geschlechts Zeit miteinander verbringen, dann wäre das in Ordnung. Verstehst Du nicht? Ich will in Nichts hineingeraten, das denke ich.“

„Vielleicht denkst Du zu viel.“

„Du denkst überhaupt nicht nach, oder?“

„Doch, mehr als Du, vermutlich. Aber ich lasse es mir nicht anmerken, um den Moment nicht zu versauen.“


Flohmarktbriefe (XI)

Gertrud Priester an Maria ‘Mietze’ Priester, 21. Oktober 1913

Geliebtes Miezekind,

heute morgen habe ich den Brief erhalten, tausend Dank, dass Du sie so schnell schicktest; bis jetzt habe ich sie ja noch nicht nötig gehabt. Augenblicklich sitze ich im Konferenzzimmer und fühle mich körperlich wie seelisch sehr elend. Ich zähle schon wieder bis zu den nächsten Ferien – also wie ich die patriotische Feier gehalten habe! Denke Dir, ich war in Leipzig. Ich hatte sogar das große Vergnügen den Kaiser zu sehen und noch viele andere Fürstlichkeiten. Das Denkmal habe ich allerdings nur von weitem besichtigen können, da es abgesperrt war. Freitag abend fuhren wir nach Leipzig, nämlich: Fräulein Lesser und ich. Alle zusammen hatten keine Ahnung von der Stadt. Und doch fanden wir ein einigermaßen billiges Zimmer im Wirthehause. Sonst war es überall überfüllt. Im Hotel konnte man ein Zimmer kaum für 20 M haben. Wir haben 2,80 M für ein nettes Zimmer mit Morgenkaffee bezahlt. Am Freitag Abend sahen wir uns noch gleich die Ausstellung, wenigstens die Anlagen, da sonst alles verschlossen war, an. Die Vergnügungslokale waren natürlich geöffnet, wir aßen im Tanzpalast Abendbrot und vergnügten uns köstlich. Nachher fanden wir auch noch recht lustige Herren (Referendare) und haben mit diesen bis ½ fünf Uhr morgens gefeiert. Dass das recht fidel war, kannst Du vielleicht ausmalen. Nachher hatte ich ordentlich Gewissenbisse, ob sich dergleichen auch wohl für eine Lehrerin ziemte. Aber man ist schließlich auch nur ein gewöhnlicher Sterblicher. Wie schnell sind die Jugendjährchen verflossen. Ich marschiere doch auch schon auf die 25.

Auf der Reise nach Dessau von Braunschweig aus lernte ich einen reizenden Menschen kennen. Er hatte Ähnlichkeit mit Herrn Büscher nur älter, aber auch noch ein Stud. Er hat mir seine Visitenkarte gegeben mit der Bitte ihm zu schreiben. Er weiß meinen Namen nicht. Würdest Du schreiben? Eigentlich müsste ich mir den Spass ja machen, es ist sonst zuwenig Abwechslung im scheußlichen Dessau. Ich hasse es ordentlich.

Doch jede Woche habe ich einen Lichtblick, denn ich treffe mich jeden Mittwoch nachmittag mit ihr. Doch Du weißt ja noch nicht, mit wem! Lini, natürlich. Ausnahmsweise trafen wir uns gestern schon. Da gab es denn ein Austratschen. Da ist eben noch das einzig Schöne, daß ich jetzt Lini hier habe. Lini ist sehr gerne in Dessau. Sie hat ein urgemütliches Zimmerchen. Gestern waren wir im Tiergarten. Urbrav müssen wir beide hier sein. Viele Augen richten sich schon allein auf Linis Tracht. Und nun noch dazu das hübsche Mädl. Durch diesen Brief hat sich mein Seelenzustand gebessert. Hoffentlich hält es an. Nächste Woche gehe ich auch mal ins Theater. Meine Reise nach Leipzig hat fünf Theatervorstellung in die Tasche gesteckt. Doch das schadet nichts, dafür war es einzig schön. Herzlichen Gruß an Tante, Agnes, Hilde, und übrige Pensionärinnen.

Dir danke ich nochmals herzlichlich. Schnell noch einen Kuss auf beide Backen, ich verbleibe in Liebe

Dein altes, treues Schwesterlein.

*Orthographie, Interpunktion und Paragraphen wie im Original. Das Copyright an diesen Texten liegt bei dem aktuellen Besitzer (dem Autor dieses Blogs). Anm. des Transkribienten.


15 Tipps für Blogger mit normal großem Ego.

1. Schreibe, was immer Du willst.

2. Glaube nicht, dass Du über andere Blogs oder das Internet schreiben musst, nur weil das die Blogs tun, die Du in Deinem Facebookstream verlinkt siehst. Du brauchst Dir auch nicht zwanghaft einen roten Faden ausdenken, Dein Leben hat bestimmt einen, selbst dann, wenn er sich in der permanenten Abwesenheit eines roten Fadens manifestieren sollte.

3. Erschaffe Deinen eigenen Content, klaue nicht einfach nur was aus dem Netz zusammen und Copy&Paste es in ein WordPress-Backend. Das kann jeder Idiot. Falls Du dennoch ernsthaft über Fundstücke bloggen willst, dann suche Dir wenigstens eine noch unbesetzte Nische und finde sehr originelle und hochwertige Inhalte dazu.

4. Lass Dir Zeit bei dem, was Du schreibst. Ein Blog ist nicht schneller als eine Zeitung, das ist ein Mythos. Ein Eintrag wird so lange existieren und von Suchmaschinen und Lesern gefunden werden, wie Dein Blog existiert, also veröffentliche ihn erst, wenn Du wirklich zufrieden damit bist.

5. Dränge Dich als Person nicht zu sehr in den Vordergrund. Eine schlichte About-Seite oder ein paar Buttons zu Deinen anderen Netzaktivitäten reichen locker. Du musst kein Photo Deines grinsenden Gesichts unter jedes Posting hängen und in einer bunten Box in blinkender Schrift dazuschreiben, wie oft Du pro Tag im Durchschnitt retweetet wirst.

6. Du brauchst auch keinen Kram wie Like-Buttons und Flattr-Plugins, die zudem richtig scheiße aussehen, wenn Du das nicht willst. Guter Content reicht meistens, um die Leser zu kriegen, die zu Dir passen. Auf den hysterischen Mob, der Dich heute bis zum Serverglühen durchklickt und morgen wieder woanders hinläuft, kannst Du verzichten.

7. Benutze das Wort „Ich“ nicht permanent in Deinen Postings, es sei denn, Du schreibst literarische Texte in der ersten Person Singular oder erlebst wirklich spannende Sachen, die sich nicht verallgemeinern lassen.

8. Freue Dich über Kommentare, aber nimm sie nicht zu ernst. Nimm es auch nicht zu ernst, wenn Du meistens keine Kommentare bekommst, vielleicht passen zu Deinem Inhalt einfach keine Anmerkungen. Vertraue Dir selbst und sei nicht das Fähnchen im Wind, das bei Vorratsdatenspeicherung nach Peter Schaar ruft, aber bei Google Street View von Datenschutzspießern fabuliert.

9. Suche Dir ein paar Blogs, die Dir gut gefallen. Verlinke sie in Deiner Blogroll und lies sie regelmäßig, auch wenn es Blogs sind, die von Deinen Internetkontakten keiner kennt. Kommentiere ab und zu mal und trag Deine Blogadresse in das dafür vorgesehene Feld ein, aber kommentiere nur dann, wenn Du wirklich etwas zu sagen hast.

10. Gucke Dir Deine Statistiken nicht dauernd an. Sie sagen nichts darüber aus, wie gut Dein Blog ist. Falls Du zu den Leuten gehörst, die in Versuchung kommen könnten, so zu handeln, dann installiere erst gar kein Statistiktool.

11. Spamme mit Deinem Content nicht überall herum. Es ist wirklich nicht notwendig, jedes Posting auf Facebook und Twitter zu verlinken. Wenn Du das nur ab und zu machst, erzielst Du damit außerdem mehr Wirkung als die Leute, die jeden Tag aufgeregte Texte zu brandheißen Themen schnellstmöglich in die Tasten hacken und anschließend überall damit hausieren gehen. Denke an den Jungen, der Wolf schrie.

12. Schalte keine oder nur sehr dezente Werbung. Werbung sieht auf Deinem Blog scheiße aus, das weißt Du doch selbst, und die hundertvierundfünfzig Kröten im Monat brauchst Du doch nicht, um zu überleben, oder? Wenn Du generell nur bloggst, um (irgendwann) Geld damit zu verdienen, dann gestehe Dir ein, dass das Ganze eine ziemlich dumme Idee war. Eine Imbissbude zu eröffnen ist in 99 von 100 Fällen deutlich lukrativer.

13. Achte ein bisschen auf ein ansprechendes Layout. Dein Blog muss angenehm zu konsumieren sein, quietschbunte Links, Avatare Deiner Fans, merkwürdige Buttons und Kommentarboxen an allen Ecken und Enden will eigentlich kein Mensch gerne um Texte herumfliegen sehen.

14. Schreibe keine Postings wie dieses hier. Sie sind genau die Art von Inhalt, der die falschen Besucher anzieht.

15. Wenn Du diese Tipps alle völlig nachvollziehbar findest, dann brauchst Du sie im Grunde nicht zu beachten, denn in dem Fall gehörst Du zu den wenigen Leuten, die das schon alleine ziemlich gut hinkriegen mit dem Bloggen.


Sperre (2010)

Sperre - raventhird.de


Irrlichter & Schönheit (V)

Ein Tweet.Ein Bild.Ein Stück.Ein Buch.Ein Lichtspielfilm.


Instant Poetry (CLXXV)

Herzrasen, irgendwo im Zwischenhirn:
Verfang Dich lautlos und schweig leise.


Fragestunde (X)

a) Welches Verhältnis pflegst Du zu den Menschen, mit denen Du eine Beziehung hattest?

b) Bist Du noch mit diesen Menschen in Kontakt und wenn ja: Würdest Du das jetzige Verhältnis Freundschaft nennen? Wenn nein: Woran liegt das Deiner Meinung nach in dem speziellen Fall, an den Du beim Lesen der Frage dachtest, und woran generell?

c) Hat die Art und Weise des heutigen Kontakts für Dich auch damit zu tun, wie die Beziehung endete? Wenn ja oder nein: Was sagt das über Dich als Person aus?

d) Was unterscheidet Deiner Meinung nach eine Liebesbeziehung von einer Freundschaft und warum kann sich das eine (nicht) in das andere verwandeln?


A Serious Joke (2010)

Joke - raventhird.de

Model: Silke
Hair & Make-Up: Swan


Oberneuland.

Im Hafen der Satellitenstadt liegt ein ziemlich großes Transportschiff aus Israel vor Anker, schon seit Jahren, es rostet dort nur noch vor sich hin. Dein Vater rät mir in dem viel zu teueren Restaurant zu Fischsuppe, ich stimme euphorisch zu. Ich will ihm gefallen und erinnere mich daran, dass Du mir erzähltest, was er über mich sagte (sinngemäß: dass er sich jetzt keine Sorgen mehr um seine Tochter im fernen Bayern machen müsse, seitdem er wisse, dass ich existiere). Später fickst Du mich in dem Zimmer, in dem Du aufgewachsen bist und erklärst mir danach, dass Dir das besonders gefallen hätte, weil es sich so verboten anfühlte. Die Katze springt währenddessen mehrfach nach der Klinke und bekommt die Tür trotz dieses mühsam erlernten Tricks nicht geöffnet, weil sie abgeschlossen ist. Ich reiße den schmutzigen Witz, dass Deine Mutter wohl mitmachen wolle.

Am nächsten Morgen lese ich in diesem Buch, das im Regal vor sich hinsteht und danach bettelt, endlich wieder in die Hand genommen zu werden, historische Informationen über den früheren Hafen, mit denen ich bei Deinem Vater Eindruck schinden kann. Ein paar Jahre später tituliert er mich als Waldschrat, ich habe vergessen, über welche Kanäle mir diese Aussage zugetragen wurde, denn Du und ich reden zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr miteinander. Er hat wohl Recht damit, aber für einige Zeit konnte ich den Schein aufrecht erhalten. Ich glaube, dass das gemeint ist, wenn die Zeile „I’m not like them, but I can pretend“ gesungen wird.

Noch viel später werde ich von einer Frau liebevoll „Schrati“ genannt. Ich habe es umgedreht und mir zu Eigen gemacht, genau wie die Gangsta-Rapper, die sich selbst als „Nigger“ bezeichnen.


Nanoskop (IV)

Qualitätskriterium: Wenn Webseiten so kleine weiße Felder haben, in die man immer wieder neu was reinschreiben kann, dann mag ich die. / To Do: Vergessen, wie der Hase läuft. / “Nee, lieber nicht, das ist mir echt zu physisch.” / Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das orthographische Carepaket für Dich. (bitte die Ausrufezeichen zurücksenden!!!) / Mobiliarkritik: Egale von Ikea. / Dieser Himmel enthält Content von Sonne und ist in Deiner Stadt nicht verfügbar. / “Warum bist Du eigentlich immer so mies drauf?” – “Weil ich Deine Scheißfrise verdrängen will, Alter.” (80er und 90er im Dialog). / Das Bezauberndste an Dir ist, dass Du auf eine positive Art so nostalgisch bist, wie ich es nie sein wollte. / Verschließe die Augen vor den kurzsichtigen Handlungen meines inneren Kamikazepiloten. / Friseurphantasie “Kammshot”. / Ich will mit Dir aus der Reihe tanzen, auf die wir nichts bekommen.


Just (2010)

just - raventhird.de

Model: Silke
Hair & Make-Up: Swan


Hand in Hand.

Die Frau von der Tankstelle hat eine Phobie, die mit Händen oder Berührungen zu tun hat. Ich habe es lange beobachtet. An manchen Tagen trägt sie Handschuhe und kommt so gar nicht erst in Gefahr, die Hand eines Kunden berühren zu müssen. An den Tagen, an denen das nicht der Fall ist, versucht sie alles, um zu vermeiden, dass ihr die Menschen, die bezahlen wollen, das Geld direkt in die Hand geben. Sie tut dann so, als würde sie irgendetwas an der Kasse eintippen oder geht einen Schritt zurück, damit man die Münzen oder Scheine auf den kleinen gläsernen Geldtresen (haben diese Dinger eigentlich einen Namen?) legt und das Wechselgeld legt sie auch dorthin, selbst wenn man zögerlich die Hand aufhält. Wenn man es darauf anlegt und die Handfläche über das Ding ohne Bezeichnung hält, so dass sie nicht anders kann, dann nähert sie sich mit ihrer Hand erst ganz normal der eigenen Handfläche, um die Münzen im letzten Augenblick zu werfen und ihre Hand schneller als ein gewöhnlicher Mensch wieder zurückzuziehen. Wenn man nicht darauf achtet und nichts weiß von den Handschuhen und von dem Geldtresen, dann wirkt es fast ganz normal, wie sie das Wechselgeld reicht, aber wenn man die Sache einmal bemerkt hat, dann kommt man nicht umhin, immer wieder den Eindruck einer Fütterung einer bissigen Schlange zu haben. Sie muss sehr viel Übung in dieser Bewegung haben, denn ihr fällt dabei nie eine Münze daneben.


Instant Poetry (CLXXIV)

Gänzlich unverwunschen,
komplett vogelfrei:
Mein Tagauswurf marschiert in Deine Richtung,
Groschenherz.