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Xmascontent (II)
Rage Against The Casting-Machine und Killing In The Name Of Christmas
Die derzeitige Nummer Eins in Great Britain? Ein besinnlicher Schmuse-Pop-Song eines schwiegermuttergesichtigen Castingshowgewinners, der ursprünglich von einem anderen Pop-Sternchen intoniert wurde. So zumindest hätte es kommen sollen. Stattdessen: Pfeif auf Besinnlichkeit und Moderne, pfeif auf Weichspülcontent: Bei dem Song, der in der Weihnachstwoche in England und Co. glatt auf Platz Eins der Singlecharts eingestiegen ist, handelt es sich tatsächlich um die inzwischen über siebzehn Jahre alte, erste Single ‘Killing In The Name’ der weiterhin auf Eis liegenden Rage Against The Machine.
Wie konnte das geschehen? Zwei Medien spielen in diesem kleinen Weihnachtsmärchen eine Rolle: Facebook und das Fernsehen. Im Fernsehen läuft zu dieser Zeit des Jahres in UK traditionell “The X Factor” mit Simon Cowell (in etwa das britische Pendant zu Dieter Bohlen), eine seichte wie populäre Casting-Sendung, deren Sieger (in diesem Jahr ein nichtssagende Schnulzen-Junge namens Joe McElderry, der in seiner Single die unsägliche Miley Cyrus covert, was an sich schon einen zynischen Kommentar wert wäre) normalerweise zu Weihnachten die Charts dominiert.
Das wollte sich ein Mensch wie Du und ich namens Jon Morter nicht mehr länger mit angucken und gründete kurzerhand eine (inzwischen leider wieder gelöschte) Facebook-Gruppe: “Rage Against The Machine For Christmas No.1″. Einziges Ziel: Per massenhafter Musikdownloads eben jenen anderen Song zu Weihnachten 2009 auf Platz Eins schicken. In kürzestester Zeit war klar: Das würde klappen, nicht etwa wegen der lustigen Nebeneffekte, dass Prominente wie Rage Against The Machine selbst und sogar Paul McCartney die Aktion richtig gelungen fanden, nachdem sie die notwendige Mainstreamaufmerksamkeitsschwelle überschritten hatte, sondern weil die Gruppe ein Zeitgefühl traf und es damit locker auch ohne derartige Feedbackeffekte zu eben jener Schwelle brachte: Insgesamt 950.000 Menschen schlossen sich zuletzt der Gruppe an, kauften 500.000 Mal den Song, der sich damit mit einem satten Vorsprung von 50.000 Käufen auf dem ersten Platz festbiss. Die Aktion beweist sehr deutlich die inzwischen weit in die Realität hineinreichende Macht der Social Networks ebenso wie die Intelligenz jener organisierten Massen in kulturellem Sinne. Dass es ausgerechnet Rage Against The Machine sind, hat sicher nicht nur mit der Vorliebe des Gruppenstarters für die Band zu tun: Es ist auch ein sinniges Statement nicht nur für die Langlebigkeit guter Musik, sondern auch für den Widerstand gegen “das System”.
Die kleine Geschichte wird die klassischen Medien natürlich kein Stück weit ändern. Aber sie ist eine eindrucksvolle Demonstration dessen, wie sehr die Macht derjenigen schrumpft, die den Konsumenten irgendwelche Inhalte einfach vorsetzen bzw. wie weit der Widerstand dagegen mit der zunehmenden Vernetzung der Menschen im Social Web inzwischen gewachsen ist. Und er wird größer, so viel ist sicher.
Review: Ihsahn – “After”
Bereits im zweiten Song ‘A Grave Inversed’ taucht es zum ersten Mal an prominenter Stelle auf, in dem zehnminütigen Prog-Monster ‘Undercurrent’ hat es einen sehr bemerkenswerten Auftritt, und am Ende scheint es dem immer weniger verwunderten Zuhörer, der es nach und nach in fast allen Songs entdeckt, fast so, als ob es im Grunde schon immer dazugehört hätte: Die Rede ist von einem Saxophon, das Freejazz-Melodien intoniert, gespielt von Jørgen Munkeby . Es wirkt gleichermaßen völlig absurd wie konsequent, dass jenes Instrument einen derart breiten Raum einnimmt auf diesem Silberling, denn einerseits ist das das dritte Ihsahn-Soloalbum „After“ (wenigstens noch in Teilen und insofern man es überhaupt in ein Genre stecken kann) eine Black-Metal-Platte, andererseits gibt es seit aber seit Jahren kaum einen anderen Musiker, der dieses Genre mit einem derart offenen und experimentierfreuden Geist fortentwickelt und zu gänzlich neuen Ufern aufbrechen lässt.
Überhaupt handelt es sich hier in vielerlei Hinsicht um das wohl radikalste Werk des Norwegers: Suchte der ehemalige Emperor-Frontmann nach diversen Ausflügen in andere Metal-Avantgarde-Regionen (vor allem mit seiner Zwischenband Peccatum) auf der ersten Platte, die nur noch seinen Namen (bzw. sein Pseudonym, bürgerlich heißt der Bursche Vegard Sverre Tveitan) trug, danach, wieder an die alten Zeiten anzuknüpfen und löste er sich mit den Geniestreich „angL.“ eben davon, um zu einer Art Black-Metal-Version von Opeth zu werden, sind nun endlich alle Barrieren und Referenzpunkte gefallen, und Ihsahn klingt, wenn überhaupt, nur noch nach sich selbst: Auf einer recht selten auf bekannten Veröffentlichungen gespielten und seine Fähigkeiten als Gitarrist noch stärker betonenden achtseitigen Gitarre schreibt und intoniert Ihsahn hier seine Songs, jeder schillernder als der andere. Die Iron Maiden-Affinität, die ihn sein ganzes Leben lang begleitet hat, hört man natürlich wie immer zwischen den Zeilen, in den Intros, aber es ist längst nicht der Fall, dass er Elemente von irgendwem kopieren würde, im Gegenteil: Er überträgt den Ansatz der verspielten Soli und epischen Gitarrenmelodien komplett auf seinen eigenen Stil, imitiert ihn nicht, sondern adaptiert und entwickelt ihn weiter, wie er es auch auf allen vorherigen Releases getan hat. Vielleicht ist es symptomatisch für die Platte, dass sie keinen großen Hit, kein eindeutig auszumachendes Highlight enthält: Diese acht Tracks sind allesamt der Star. Sie sind aber auch schwermütiger, düsterer und langsamer als das, was er früher gemacht hat, brodeln eher bedrohlich und fremdartig-faszinierend vor sich hin, entladen sie sich doch seltener in richtig schnellen, agressiven Eruptionen als auf den Vorgängerwerken. Dabei sind die Elemente dennoch direkt als typisch Ihsahn identifizierbar: Die atonalen und grandiosen Soli sind genau so vorhanden wie die gezupften Parts, die markante Stimme thront hinter den Riff-Wänden, der cleane Gesang kommt spärlich zum Einsatz, produziert wurde wieder im eigenen Studio mit Jens Bogren, der sonst eben Opeths oder Katatonias Werke veredelt. Es ist vor allem die Herangehensweise an die Songs, die neu ist: Ihsahn wird immer mehr zum Komponisten im Wortsinne statt Songschreiber, einem Mann, der keinen Wert mehr auf in traditioneller Hinsicht koheränte Strophe-Refrain-Strophe-Strukturen legt, sondern sich auf die Details, die Passagen seiner hier oft überlangen Tracks konzentriert.
Und am Ende spricht wieder der Jazz: Es ist eine wimmernde, in sich zerfallende Melodie aus dem goldenen Blasinstrument, die diese in jeder Hinsicht außergewöhnliche Platte beschließen darf. Man darf dankbar sein, dass es noch Musiker gibt, die sich immer wieder zu neuen Ausflügen in unbekanntes Land aufraffen, statt auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. Ihsahns Prog-Black-Metal-Jazz-Album „After“ ist ein erstes Highlight des kommenden Musikjahres.
9 von 10 Punkten.
Wolves In The Throne Room @ Hafenklang Hamburg II
Wolves In The Throne Room Live @ Hafenklang Hamburg, 29.06.2009
Wolves In The Throne Room @ Hafenklang Hamburg I
Wolves In The Throne Room Live @ Hafenklang Hamburg, 29.06.2009
Briefing (XXII)
Arr, Ihr lustigen Freibeuter von der Piratenpartei Deutschland,
da habt Ihr doch glatt mal 0,9% bundesweit bei der Europawahl 2009 geholt. Das muss man sich mal vorstellen: Fast jeder hundertste Wähler hat sein Kreuz bei Euch gemacht. Respektable Sache, aber noch cooler wäre das Ganze natürlich, wenn Ihr nicht so einen bescheuerten Namen tragen, solche populistischen Maximalforderungen verbreiten würdet und nicht so ein unglaublich einseitiges Programm hättet.
Jaja, ich weiß schon, für den Namen könnt Ihr nichts, der ist angelehnt an Euere schwedischen Kollegen, die dort oben in dem kleinen Land sogar unglaubliche 7% der Wähler erreicht haben und nun einen doch hoffentlich mit rostigem Säbel und Augenklappe bewaffneten Burschen ins Parlament schicken dürfen. Aber Euer Wahlprogramm zeichnet die Welt doch schon arg schwarz-weiß, gut-böse und ihr übernehmt dabei natürlich immer die extreme Gegenposition zu den finsteren, konservativen Kräften: Ihr wollt Software- und Genpatente abschaffen, Privatkopien komplett erlauben, das Urheberrecht reformieren und solches Zeug, das besonders bei den jugendlichen Internetnerds, die sich meistens so gut wie Null für Politik interessieren, wenn es nicht darum geht, dass sie in Ruhe ihr Zeug aus den Tauschbörsen ziehen dürfen, auf große Gegenliebe stößt.
Natürlich geht Ihr mit Eueren Ideen in die richtige Richtung, daran gibt es keinen Zweifel, dabei scheint Ihr aber keine fünf Schritte voraus zu denken, denn dass all diese Geschichten auch ihre negativen Seiten haben können, kommt Euch offenbar gar nicht in den Sinn (und leider auch genausowenig der versammelten Netzgemeinde, die euch ganz toll findet, was insbesondere auch die sonst so wahnsinnig kritischen Bloggerkollegen betrifft): Wer hätte denn noch ein Interesse daran, eine (Mais- oder Irgendwas-)Sorte zu erfinden, die vielleicht irgendwann das Hungerproblem löst, weil sie auch in der Wüste wächst, wenn er daraus keinen Profil schlagen könnte? Welcher Musiker kann denn nur von den Konzerteinnahmen leben? Von Autoren, anderen Künstlern und Softwareschreibern fange ich gar nicht erst an, denn die geben in der Regel nicht so viele Liveshows, über die sie ihr Geld kriegen können, wenn jeder ihren Kram kopieren darf. Informationelle Selbstbestimmung und der finstere Überwachungsstaat Orwell’schen Ausmaßes ist auch so ein Thema von Euch, das Euere Wähler wahnsinnig gut finden, während sie auf Myspace und Facebook darüber berichten, was sie gerade zu Abend gegessen haben und neue Bilder von der letzten Lan-Party hochladen. Wenn ich dann aber, wie heute Morgen bei heise.de noch lesen muss, dass Ihr zu den anderen Themen (im Grunde all das, das nichts mit Internet zu tun hat) gar keine Meinung haben wollt, dann frage ich mich schon, was diese ganze Nummer soll und ob man Euch eigentlich in irgendeiner Art und Weise ernst nehmen kann.
Es ist auch angekommen, dass Ihr eine Interessenpartei seid und dass Ihr so laut tösen müsst, damit man euch überhaupt wahrnimmt. Versteht mich bloß nicht falsch: Ich bin der Netzfreak schlechthin, aber Ihr seht halt nicht nur auf den ersten, sondern auch noch auf den dritten Blick wie ein paar populistische Spinner aus, die eigentlich keiner wählen kann, der ein bisschen reflektierter über Dinge nachdenkt als nur bis „ich will, dass der mich in Ruhe meine Mucke runterladen lässt, der böse Schäuble“. Ich erkläre Euch (und Eueren Apologeten) mal ganz kurz, wie Demokratie wirklich funktioniert, und es ist wirklich traurig, dass ich das tun muss: Da geht es darum, die beste Lösung für jung, alt, progressiv, konservativ, kurzum für Alle zu finden, einen Kompromiss, nicht darum, möglichst viele Punkte zu erzielen und dann allen anderen seinen Lebensentwurf, der ausschließlich an der eigenen Lebensrealität orientiert ist, einfach aufzudrücken. Und wenn Ihr jetzt mit dem Argument kommen wollt, dass Ihr ja bloß Opposition sein wollt, die problematische Verhältnisse mit starken Gegenpositionen aufzeigen will: Eine Utopistenpartei gibt es schon. Die träumt auch vor sich hin vom Wunderland, aber wenigstens in Bezug auf Dinge, die wirklich von etwas allgemeinerem Interesse sind.
Mast- und Schotbruch wünscht:
Käptn Raven III.
Listenwahn (V): Die schlechtesten Alben von R.E.M.
1. „Around The Sun“ (2004)
Fahrstuhlmusik vom Feinsten: Auf „Around The Sun“ klingt nicht nur Michael Stipe völlig lustlos und wiederholt die meist nur einzeiligen Refrains der inbegriffenen Schlafwagensongs bis zum Exzess, auch der Rest der Band wirkt völlig ausgebrannt. Trauriger Tiefpunkt: Die völlig random wirkende Rap-Passage auf ‘The Outsider’.
2. „Fables Of The Reconstruction“ (1985)
Der Fokus liegt auf Folk, auf melancholischen Songs und langsamem Tempo: REMs dritte Platte „Fables Of The Reconstruction“ ist sicher nicht das, was man ein einfaches Album nennen kann. Die Produktion ist eine mittlere Katastrophe, vor allem aber fehlt es an genug guten Songs, um langfristig zu überzeugen.
3. „Accelerate“ (2008)
Zwar scheint es zunächst so, als hätten REM auf „Accelerate“ alle Batterien aufgefrischt und ein rockiges, energetisches Album aufgenommen, auf den zweiten Blick ist die zudem extrem kurze Platte aber doch voller Songs, die die Band selbst schon einmal in besser geschrieben hat.
4. „Out Of Time“ (1991)
Für viele eher oberflächliche Zuhörer ein Klassiker („Out Of Time“ enthält nicht zuletzt den größten Hit der Band, ‘Loosing My Religion’), groß, pompös und überambitiert: In Sachen Songwriting bleiben REM auf „Out Of Time“ dennoch weit hinter ihren eigenen Standards.
5. „Green“ (1988)
Das erste Album auf dem Major-Label: 1988 gehen REM mit „Green“ zu schnell in mindestens drei verschiedene Richtungen gleichzeitig und machen ein Album, das zwar immer wieder geniale Moment beihaltet (‘Pop Song 89′, ‘World Leader Pretend’ und ‘Orange Crush’), insgesamt aber zerfahren und inkonsequent wirkt.
Briefing (XXI)
Lieber Billy Corgan,
mir reicht es. Ich habe die Schnauze endgültig voll von Dir. In der Vergangenheit habe ich Dir immer und immer wieder verziehen, egal welchen verdammten Bockmist Du angestellt hattest. Und das war nicht wenig: Du hast nicht nur Deine eigenen Fans immer und immer wieder auf Konzerten angeblafft, wenn sie alte Klassiker hören wollten, Du hast nicht nur die Band Zwan gegründet und ein paar tolle Songs geschrieben, auf das zugehörige und höchst mittelmäßige Album „Mary Star Of The Sea“ aber nur seichte Sunshine-Pop-Tracks gepackt und danach die Band kurzerhand wieder aufgelöst, sondern auch noch im Anschluss nach gerade einmal fünf Jahren die Smashing Pumpkins „wiedervereinigt“, die angeblich für immer ruhen sollten. Allerdings waren nur Du und der Drummer Jimmy Chamberlin dabei, der auch schon das Zwan-Projekt mit Dir veranstaltete, die Anderen hatten verständlicherweise keine Lust darauf, das Erbe einer so tollen Band zu beschmutzen oder auch nur noch einmal mit Dir zu arbeiten. Deswegen hast Du Dir einfach zwei namenlose Statisten für die Band geholt, die bei Interviews gar nicht erst mit auftauchen durften. In der Hinsicht warst Du schlimmer als Axl Rose, Billy Corgan. Der hat zwar Guns N’ Roses inzwischen auch unter seiner Alleinherrschaft, aber sagt wenigstens offen, dass die Band heute ein loses Kollektiv aus guten Musikern ist.
Du hingegen gabst den gnadenlosen Diktator einer angeblich immer noch in Geist der Vergangenheit verwurzelten Band und veröffentlichtest ein höchst durchschnittliches, überzogen gitarrenlastiges und pseudo-cooles Rockalbum namens „Zeitgeist“, auf dem Du so gut wie alles selbst eingespielt und gemacht hattest, sogar die Hintergrundvocals. In manchen Songs hört man Dich mehrstimmig mit Dir selbst im Chor singen. Das Ganze warfst Du in sechs unterschiedlichen Versionen auf den Markt, mit jeweils anderen Bonustracks, so dass sich richtige Fans die Platte sechs mal kaufen mussten. Und wer das wirklich getan hat, bekam am Ende noch eins übergebraten, denn ein Jahr später gab es selbstverständlich eine Deluxe-Edition, auf der alle Bonustracks enthalten waren.
Aber ich habe trotz all diesem Mist weiter an Dich geglaubt, Billy. Daran, dass Du irgendwann wieder tolle und einzigartige Musik schreiben wirst, wie Du es in den 90ern am laufenden Band getan hast. Ich habe es sogar zu dem Zeitpunkt noch getan, als auch Jimmy Chamberlin, der einzige Dir verbliebene Freund aus der Original-Band, der bis dahin immer treu an Deiner Seite geblieben war, die Nase voll von Dir hatte und die Band verließ. Das war kurz nachdem Du einen Deiner besten Songs, den zynisch-sarkastischen Hit ‘Today’ für eine Werbekampagne verscherbelt hast, in der seine Bedeutung um 180 Grad gedreht wurde. In der Werbung für eine Kreditkartenfirma klingt es so, als wäre die Textzeile „today is the greatest day I’ve ever known“ wirklich so gemeint. Das war einfach nur ekelerregend, Billy. Jeder andere hätte Dich an diesem Punkt alleine sitzen lassen. Nicht ich. Ich blieb da.
Dass Du dann in den letzten Monaten immer wieder auf irgendwelchen Parties in Begleitung von jungen Pornodarstellerinnen und billigen Myspace-Bitches aufgetaucht bist, dass Dein neuer Manager der CEO von Ticketmaster ist, dass Du Dir ein scheißteueres Anwesen mit eigenem Strandabschnitt gekauft hast: Das alles habe ich Dir noch locker als exzentrisch-dekadenten Rock’n'Roll-Lifestyle durchgehen lassen. Aber dass Du jetzt, kurz nachdem sogar Jimmy die Nase von Dir voll hatte, auf die Idee kommst, nicht nur die Band ganz alleine weiterzuführen, sondern den Fans auch noch ein paar Videostreams vom Songwriting einer vielleicht irgendwann kommenden Platte als Subscription-Modell für 40$, die immer wieder bezahlt werden müssen, verkaufen willst, das setzt deinem unfassbar dummen und geldgierigen Verhalten die Krone auf. Jede andere Band veröffentlicht solche Sachen kostenlos. Guck Dir mal bitte Trent Reznor an. Der stellt regelmäßig ganze neue Alben und EPs der Nine Inch Nails unter CC-Lizenz ins Internet und verdient dennoch sein Geld, weil die Fans ihm aufgrund dieser Aktionen gerne haben und ihm daher auch gerne seine Musik abkaufen, selbst wenn sie es nicht müssen. Du aber willst 40$ für einen zwölfwochigen Zugang zu einer Internetseite, auf der ich jeden Tag einen Videoschnipsel davon sehen kann, wie Du mit Deinen neuen Statisten ein paar neue Songs schreibst, die höchstwahrscheinlich auch noch ziemlich mittelmäßig sind? Lächerlicher geht es wirklich nicht mehr.
Ich kann das nicht mehr mittragen und will mich nicht dafür schämen müssen, ein Fan von einer „Band“ zu sein, die permanent nur absolut hirnrissen Bullshit fabriziert. Ich bin dann mal weg, Billy.
Dein
Sebastian
PS: Falls Du entgegen aller Erwartungen doch irgendwann wieder mit richtig guter Musik um die Ecke kommst, dann sag Bescheid. Dann reden wir in Ruhe noch einmal über die Sache.
Bloglichter (I)
Eine meiner Meinung nach sehr sinnige Aktion, ins Leben gerufen von Stylespion.de: „Ein Herz für Blogs“ (bzw. „Ein ♥ für Blogs“) fordert dazu auf, unbekannte Weblogs kurz vorzustellen und weiterzuempfehlen. Dem schließt sich Die Irrlichterkette trotz eigener Unbekanntheit hiermit an, auch es normalerwiese nicht zu meinem Repertoire gehört, bei derartigen kurzlebigen Aktionen mitzumachen. Aus diesem Grunde denke ich auch darüber nach, die Sache zumindest hier zu einer regelmäßigen Kategorie werden zu lassen, wie von Whudat.de bereits vorgeschlagen wurde.
Hier sind drei Blogs, die ich regelmäßig lese und die meiner Meinung nach zu Unrecht vergleichsweise völlig unbekannt sind:
Ein Weblog, an dem man als literaturinteressierter Mensch nicht ohne Staunen vorbeikommen sollte. Manchmal komplex, manchmal seltsam minimalistisch und doch immer sehr prägnant bringt dort Dirk Schröder Gedanken, Kommentare und Gedichte. Und das alles auf eine Art und Weise, die man eigentlich nur liebenswert unkommerziell nennen kann.
Dadaistische, hintergründige und einsichtige Poesie von Feinsten gibt es in schöner Regelmäßigkeit von der Autorin Elisa Theusner in einem Weblog zu lesen, das so andersartig und seltsam entrückt wirkt, dass man eigentlich nur noch staunen kann über den genial-eigensinnigen Umgang mit Worten und Gedanken, der bei Monkirebella gepflegt und gehegt wird.
Nicht wirklich häufig, aber doch mit beharrlicher Konsequenz und Kontinuität füllt Fabian Mohr sein Weblog ISO 800. Mit Bildern, Worten und neuerdings auch mit HD-Videos, die wie sich bewegende Photographien wirken. In seiner Gesamtheit bildet das Blog ein beeindruckendes Portfolio eines sehr auf stilvolle Ästhetik bedachten Autors.
Fünf gute Gründe (I)
Fünf gute Gründe dafür, dass das weiße Haus mich einstellen sollte, fand ich bei näherer Betrachtung des offiziellen Photos des nicht mehr ganz so neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama: Hier kann jedermann nachgucken, ob er sie ausreichend findet.
Review: Marilyn Manson – ‘We’re From America’ (Song)
Es ist viel spekuliert worden über die Arbeiten an dem kommenden Album namens „The High End Of Low“ der amerikanischen Band Marilyn Manson (Release-Date ist der 26. Mai 2009), die fast synonym mit ihrem Frontmann geworden ist, nachdem vor ein paar Jahren auch die letzten guten Musiker das sinkende Schiff verlassen hatten. Ein paar prominente Gaststars sollen darauf zu hören sein: Kerry King von Slayer und James Iha (Ex-Smashing Pumpkins) zum Beispiel. Viel wichtiger aber ist, dass Jeordie White (unter seinem alten Pseudonym Twiggy Ramirez), Bassist, A Perfect Circle- und früheres Nine Inch Nails-Mitglied und vor allem langjähriger Manson-Songwriter (der Frontmann schreibt, das ist den wenigsten bekannt, zumeist nur seine Texte) und unter anderem verantwortlich für die großartigen Alben „AntiChrist Superstar“ und „Mechanical Animals“, wieder an Bord ist.
Dem nagelneuen Teaser-Song ‘We’re From America’ (seit heute herunterladbar auf der offiziellen Webseite), der in den ersten Minuten recht simpel und eingängig tönt, hört man das nicht nur in Sachen Sound an: Knarzige Gitarrenriffs, Feedbacksounds, Manson klingen wieder nach Industrial der alten Schule und nicht nach einer billigen Rammstein-Imitation. Im zweiten Teil des Tracks, dessen etwas dümmliche Lyrics (nein, Sarkasmus bedeutet nicht, dass ein Text automatisch tiefgründig ist) den absurden Gedanken wecken, dass Marilyn Manson eine bessere Band ohne, äh, Marilyn Manson wären, kommen dann ein paar homogen eingearbeitete Soundcollagen und irre psychedelische Gitarrenlicks hinzu, die richtig viel Spass machen und nicht nur vordergründig nach Aufmerksamkeit heischen. Es wäre zu früh, zu sagen, dass Marilyn Manson nach zwei katastrophal schlechten Platten zu alter Qualität zurückgefunden haben, aber ‘We’re From America’ macht trotz seiner auch insgesamt sehr einfachen Struktur Hoffnung genau darauf.
7/10 Punkten.
Der Musikjournalist (VI)
26. März 2009, 18:55: Ich sitze in meinem Büro und bin zum ersten Mal in meinem Leben richtig nervös wegen eines Interviews. Ihsahn ruft um 19:03 an und entschuldigt sich: „Tut mir leid wegen der Verspätung.“ Drei Minuten. Der Mann ist präzise. Fast exakt dreißig Minuten später weist er mich darauf hin, dass sein Zeitplan gerade etwas aus den Fugen gerät, ich stelle meine letzte Frage und wir verabschieden uns. Erst nachdem ich mir die Aufnahme noch einmal anhöre, wird mir klar, dass ich gerade eines der letzten, vielleicht sogar das letzte jemals stattfindende Emperor-Interview geführt habe. Wie wird man einer Band gerecht, deren Alben ausschließlich zeitlose Klassiker sind?
Irgendwie bestimmt. Der Artikel erscheint in der kommenden Ausgabe des Legacy.